Der kirchliche Feiertag Allerheiligen am 1. November verwandelt für einen Tag das Antlitz des Landes. Man hat das Gefühl, dass an diesem Tag alle über 20 Millionen registrierte Autos unterwegs sind. Die Menschen sehnen sich nach dem Kontakt mit ihren verstorbenen Familienmitgliedern und Freunden. Es verwundert also nicht, dass Polen zweidrittel aller Grablichter der Welt produziert. Leider auch für diejenigen, die auf der Straße ihr Leben lassen mussten. Und wie ist es um Halloween bestellt?
Allerheiligen kommt schon nach Ostern

Der wichtigste kirchliche Feiertag ist natürlich Ostern. Ohne Auferstehung Jesu könnten wir uns das alles hier nämlich sparen. Doch danach kommt nicht etwa schon das Weihnachtsfest. Da ist natürlich mehr los, Geschkenke werden gekauft, das Essen vorbereitet und viel gesungen. Natürlich, gebetet wird (angeblich) auch. Doch Allerheiligen am 1. November und Allerseelen am 2. November sind besondere Feiertage. Es gibt keine Geschenke, keine besondere Haus- oder Wohnungsdekorationen und keine gastronomischen Traditionen. Und doch sind alle auf dem Weg zum Friedhof. Lebt man in einer Stadt, wo es keine Familiengräber gibt, die man aufsuchen könnte, geht man dennoch zum Friedhof und zündet ein Grablicht dort an, wo noch keins brennt.
Der berühmteste Friedhof in Warschau: Powazki
Die Aussprache ist leider ziemlich schwierig. Ich kann hier nur mit Französisch weiterhelfen. Man nehme zunächst das Französische „on“ (3. Person Singular) und übe es mit Hilfe der Google-Translator-Aussprache-Hilfe. Das ist der schwierigste Teil. Anschließend einfach ruhig und gelassen: Po – w – „on“ – ski. So oder so ähnlich klingt es auf Polnisch.
Wer nun den 1. November in Warschau verbringt, muss nach Sonnenuntergang unbedingt zum Po – w – „on“ – ski – Friedhof. Das Lichtermeer nimmt hier kein Ende, zudem sind die Gräber so künstlerisch gestaltet worden, dass man nur ins Staunen kommt! Man wird hier eine wahre Bildhauer-Ausstellung vorfinden.
Adresse und Anfahrt
Der Friedhof ist ein gigantischer Komplex bestehend aus zahlreichen weiteren Friedhöfen anderer Konfessionen. So gibt es hier auch den Jüdischen Friedhof, den Tatarisch-Islamischen Friedhof, den Evangelisch-Augsburgischen und natürlich den römisch-katholischen Friedhof. Um zum letztgenannten und an Allerheiligen relevanten Friedhof zu gelangen, benutzt man die Straßenbahn oder einen Linienbus oder fährt mit Uber.
Die Adresse: ul. Powązkowska 1, 01-797 Warszawa (zur Karte)
In unmittelbarer Nähe gibt es die größte Warschauer Mall Arkadia. Davor steht ein gut sichtbarer Mast mit der polnischen Flagge.
Fährt man mit der Straßenbahn, dann ist es die Linie 22. Wenn es der Bus ist, dann kann man mit der Touristenlinie 180 fahren. Der Bus hält direkt vor dem Haupteingang. Falls es schneller gehen soll, dann gibt es ja die Uber-App.

Grablichter auf Polens Straßen
In vielerlei Hinsicht hat Polen unglaubliche Fortschritte gemacht. Leider kommt irgendwann der Moment der notwendigen Professionalisierung des Aufschwungs. So ist es auch mit den Verkehrstoten. Über viele Jahre hindurch fiel die Zahl. Zu verdanken hatte man es den neuen oder renovierten Straßen sowie den sichereren Autos. Im Jahre 2017 unterschreitet die Zahl sogar die 3000-Marke. Leider werden es dieses Jahr womöglich wieder ca. 3200. In Deutschland waren es 2018 ebenfalls knapp 3200 Menschen. Hierzulande sterben doppelt so viele Menschen wie in Deutschlan. Der allgemeine Fahrstil in Polen lässt viel zu wünschen übrig. Obwohl es in den Städten nicht so schlecht aussieht, ist es im Allgemeinen manchmal sehr makaber. Daher organisiert die Polizei vor allem an Ostern, Weihnachten und eben Allerheiligen intensive Straßenkontrollen. An Allerheiligen heißt die Aktion „Znicz“, also Grablicht. Hier haben wir die Aktion 2016 beschrieben.
Und Halloween?
Halloween in Polen ist nicht sonderlich bekannt und beliebt. Heute haben tatsächlich zwei Jugendliche an meiner Tür geklingelt. Süßes oder Saures! Ich musste mir mit Geld aushelfen. Aber die beiden waren etwas verängstigt. Ein älterer Herr hatte die beiden zuvor am Türtelefon angeschrien. Wenn sie nochmal klingeln sollten, würde er ihnen in den ### treten. Sie meinten, dass es letztes noch ziemlich gut lief. Dieses Jahr haben sie keinen Spaß und werden es nächstes Jahr nicht mehr machen. Wir sind in Warschau. In der Provinz würde die Oma in Ohnmacht fallen, wenn ihr Enkelkind sich Diablo-Hörner aufsetzen würde! Hat Warschau den Bruch mit der traditionellen Küche vollzogen, gibt es in anderen Fällen noch heftigen Widerstand. Halloween muss also noch eine Generation warten.
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