Im Nachrichtenmagazin Focus gibt es eine Rubrik „Urlaubs-Check“. Am 22. März 2023 veröffentlicht die freie Reisejournalistin Michaela Strassmair einen Beitrag unter dem schönen Titel „Diese fünf Städte sind Europas heimliche Hauptstädte“. Klingt nach nichts und deswegen habe ich es angeklickt. Mein Instinkt flüsterte mir ins Ohr, dass Warschau auch aufgelistet ist. Volltreffer! Erwartet habe ich nur Positives, es ist ja schließlich ein Urlaubs-Check. Das was Frau Strassmair in diesen paar Zeilen über Warschau abliefert, kann man getrost ins Klo werfen und abdrücken. Liebe Frau Strassmair? Was war da los? Keine Zeit für Recherche? Und die Focus-Redaktion? Vielleicht solltet ihr einen Quality-Check einführen!
Inhalt
Ein Stich ins Herz
Obwohl die Kritik dieses Beitrags schon die Runde gemacht hat und die Autorin oder ein anderer Redakteur daraufhin schon eifrig Verbesserungen vorgenommen hatte, liegt der Beitrag nach der Faktenkatastrophe immer noch in Ruinen. Das Internet vergisst nicht. Angehängt habe ich einen Screenshot vom Youtube-Video von „Schnuffinski dem Auswanderer“, der sich die Mühe gemacht hat über diesen „Käse“ zu berichten. Das Bild zeigt deutlich, wie der erste Abschnitt ursprünglich lautete. Und so begann der erste Satz damit, dass festgestellt wurde, dass die zweitgrösste Stadt Polens ca. 800 km vom Meer entfernt liegt und dennoch eine Meerjungfrau im Wappen hat. Man kann sicherlich darüber streiten, ob Polen Teil Ost- oder Mitteleuropas ist. Aber die zwei anderen Tatsachen? Polen ist ein Nachbarland Deutschlands und kein Exot in Mikronesien! Ich darf doch erwarten, dass Menschen auf solchen Positionen ein gewißes Maß an geographischem Verständnis für die Nachbarländern aufbringen. Es ist ein Stich ins Herz, Frau Strassmair. Es dürfen Fehler passieren, keine Frage. Auch darf man sich vertippen. Aber als Reisejournalistin Artikel im Focus schreiben zu dürfen sollte eine Ehre sein, die auch eine gewisse Verantwortung nach sich zieht. Vor allem aufgrund der großen Leserschaft.

Nicolaus Copernicus … Varsoviensis?
Warschau wird hier einfach so hingeklatscht wie die Nudel an die Wand
Wieso um alles in der Welt wurde nicht gleich der ganze Artikel auf Fehler überprüft? Man korrigiert den ersten Abschnitt und lässt weitere Patzer stehen. Die Autorin wollte den Vornamen des weltberühmten Pianisten Chopin in seiner polnischen Variante aufschreiben und macht dabei einen Fehler. Statt Fryderyk wird Frederyk daraus. War es wirklich so zeitaufwendig diese fünf Sekunden aufzuopfern und das nachzuschauen? Kann sein, dass es ein Tippfehler war. Aber das kann ich nach dem ersten Abschnitt nicht mehr glauben. Vor allem dann nicht, wenn er evident korrigiert wurde. Und es kommt noch dicker. Nicht nur wird behauptet, dass „Frederyk“ in Warschau geboren wurde, sondern gleich auch der Nikolaus Kopernikus. Chopins Geburtshaus ist in Zelazowa Wola und Kopernikus ist aus Thorn. Nur weil es hier ein Wissenschaftszentrum (kein Wissenschaftsmuseum) gibt, welches nach ihm benannt wurde und sein Denkmal vor der Polnischen Akademie der Wissenschaft steht, muss er hier doch nicht gleich geboren sein. So viele Patzer, wie in diesem Beitrag, erleben wir in Polen nur noch in den eiligst geschriebenen Gesetzesentwürfen im Sejm. War es der Autorin nicht mulmig zumute, als sie die Zeilen eiligst auf dem Weg zur Arbeit verfasste? Wir reden bei Kopernikus und Chopin doch nicht über irgendwen, sondern über wichtige Persönlichkeiten der Wissenschaften und Musik!
Das auch nur nebenbei: Warschau ist keine Studentenstadt. Das mag vielleicht neben den knapp 50 (nicht 70) Hochschulen so klingen, aber die Atmosphäre ist alles andere als „studentisch“. Es ist eine typische Business-Metropole mit allem, was dazu gehört.
Wer suchet, der findet
Den Tipp am Ende des Beitrages finde ich auch klasse. Der lautet „Unbedingt die einer Eisenkonstruktion um 1900 nachempfundene Markthalle mit vielen Food-Outlets, Bars und Ständen für exotische Lebensmittel besuchen“. Super! Und bloß den Namen nicht verraten. Ist ja eine „heimliche Hauptstadt“ mit vielen geheimen Orten. Wer suchet, der findet!
Eine Faktenkatastrophe
Diese Beiträge zeugen von einer unglaublich großen Geringschätzung
Solche Artikel in eigentlich seriösen Magazinen zu lesen ist wirklich deprimierend. Der Focus-Beitrag ist auch kein Einzelfall. Regelmäßig lese ich wirklich großen Käse von selbsternannten Reisejournalisten. Vor einigen Monaten veröffentlichte die Mittelbayerische Zeitung ebenfalls einen Artikel über Warschau mit dem Titel „Gegensätze leben, das kann Warschau“. Und was zeigt das Hauptfoto? Den Breslauer Marktplatz. In einer Info-Box taucht dann noch zusätzlich der Link www.visitwroclaw.eu auf. Vieles ist in dem Artikel durcheinandergeraten und das schlimmste ist, dass ich jene Person sogar persönlich geführt habe. So schlecht kann ich doch nicht gewesen sein? Diese Beiträge zeugen von einer unglaublich großen Geringschätzung Polens gegenüber. Warschau wird hier einfach so hingeklatscht wie die Nudel an die Wand. In Zeiten, in denen die deutsch-polnischen Beziehungen einer besonderen Zuneigung bedürfen, kommen langjährige Reisejournalisten entlang, rühmen sich mit ihren tollen Lebensläufen und Erfahrungen, und schreiben Beiträge über Polen, die einfach nur erbärmlich und peinlich sind. Das finde ich traurig und ärgerlich. Die Autorin sollte sich für diesen Beitrag öffentlich entschuldigen und sich lieber einem Job widmen, dem sie gewachsen ist. Warschau wurde nur einige Wochen zuvor zur European Best Destination gewählt, was hier hätte erwähnt werden sollen.
Die zwischenzeitlich erfolgte Verbesserung des Beitrages macht alles zudem noch schlimmer. Kopernikus ist immer noch in Warschau geboren und Fryderyk ist weiterhin falsch geschrieben. Da schreit die Internetwelt nach Gerechtigkeit und was bekommt sie zurück? Eine virtuelle Ohrfeige und verdrehte Augen.
Mein Rat an Focus-Online: Lassen Sie es lieber mit dem Urlaubs-Checks und spart Euch das Geld für die Arbeit Eurer Reiseprofis. Investiert das Geld lieber in einen Quality-Check!
Link zum „aktualisierten“ Beitrag auf Focus-Online (zuletzt geöffnet 27.03 um 12:23 Uhr)
Wissen Sie noch die Zeit , in der ein gewisser Harald Schmidt nur den Satz „In unserem Nachbarland Polen ….“ aussprechen brauchte und schon lachte die ganze Galerie ??? Schrecklich … FOCUS sollte sich schämen .