Vor knapp drei Jahren habe ich einen Beitrag über die Lebenshaltungskosten in Warschau geschrieben und es ist bisher einer der meistgelesenen Posts in meinem Blog. Doch seitdem hat sich so vieles getan. Es fängt schon allein beim Umrechnungskurs an. Damals lag er noch bei ca. 4 PLN für jeden Euro. Heute sind es schon 4,7 PLN. Die sichtbarsten Veränderungen erfolgten jedoch bei den Mietpreisen und Lebensmitteln. Den Beitrag von 2020 werde ich in Kürze um die Lebenshaltungskosten 2023 erweitern und die Zahlen gegenüberstellen. Ich bin selber schon gespannt, was das Ergebnis sein wird. In diesem Beitrag möchte ich der Frage nachgehen, die oft gestellt wird. Wie teuer ist Warschau, wenn man einen Vergleich mit anderen Städten Polens und Europas aufstellt? So einfach lässt sich die Frage nämlich nicht beantworten.
Warschau aus Sicht anderer Städte Polens
Warschau war, ist und bleibt die teuerste Stadt Polens und alle wissen das. Hauptstädte haben es an sich, dass sie die wichtigsten nationalen und internationalen Institutionen, die höchsten Gerichte, Regierungsämter und Firmen anziehen. Das verursacht auch ein überproportionales Anwachsen der Lebenshaltungskosten. In Europa ist das nahezu überall so. Nur Berlin tanzt aus der Reihe und ist arm, aber immerhin sexy. In Warschau haben sich in den letzten Jahren jedoch zwei Eigenschaften wesentlich verändert.
Das Preis-Leistungsverhältnis
War die Stadt auch früherschon total überteuert, so spiegelte sich das nicht im Stadtbild nieder. Der Großteil der Wolkenkratzer wurde in den letzten zehn Jahren gebaut, bis 204 gab es nur eine Metrolinie, Fahrradfahren wwurde als Selbstmordversuch klassizifiert und auch die weiter gelegenen Ortschaften und Bezirke waren nicht an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen. Es gab noch keinen Stadtring und alle LKWs fuhren mitten durch die Innenstadt. Viele stellten sich also die Frage, was man als Gegenleistung für die hohen Lebenshaltungskosten erhält. Das ist heute anders. Die Stadt präsentiert sich großstädtisch und ist spürbar eine reine Businessmetropole. Der Lebensstandard wächst spürbar und vor allem übersteigt dieser im Vergleich zur polnischen Provinz beträchtlich. Instinktiv weiß man, dass solche Städte nicht billig sind, weil der hohe Anteil an Beamten, Geschäftsmännern und Angestellten in internationalen Organisationen die Preise in die Höhe schnellen lassen. Es gibt also ein „gesundes Verhältnis“ zwischen den hohen Preisen und dem dafür erhaltenen Lebensgenuss.
Der zweite Aspekt ist, dass es in einigen Bereichen gar nicht teurer ist, und das Gefühl gaukelt es einem nur vor. Das kommt vor allem daher, dass die medienträchtigen Themen über hohe Mietpreise, die teuersten Hotels, die teuersten Restaurants etc. handeln. Warschau ist immer oben mit dabei und so entsteht ein Bild einer überteuerten Stadt. Derweilen fahre ich zum Beispiel nach Krakau oder Danzig und wundere mich, dass die Gastronomie dort mit den Warschauer Preisen gleichgezogen hat, aber die Qualität lässt oft zu wünschen übrig. Und hier liegt der Hund begraben: man muss in Warschau zwar mehr bezahlen, aber das Preis-Leistungs-Verhältnis ist ausgeglichener. Es ist also wichtig, bei den Vergleichen auch die Qualität einzubeziehen.
Warschau aus Sicht der Warschauer
Die Preisentwicklung der letzten Jahre hat vor allem die Warschauer ins Staunen versetzt. Der Immobilienkauf war noch vor zwei bis drei Jahren erschwinglich. Aktuell lässt man es lieber. Die hohe Inflation und der horrende Leitzins machen die Wohnung zu einem Luxusgut. Man könnte stattdessen etwas mieten. Nur was bringt es, wenn die Mietpreise denen der Abzahlungsrate der Kreidte ähneln? Zudem hat Warschau keine Obergrenze für Mietpreise und auch so gut wie keine Sozialwohnungen oder Wohnungen, die von der öffentlichen Hand verwaltet werden. Man gelangt hier in eine gewiße Sackgasse. Positiv ist dahingehend das starke Wachstum der Durchschnittslöhne. Zwar reicht es dann noch nicht für eine neue Wohnung, aber das Schwergewicht der Ausgaben verschiebt sich und so gibt man für Lebensmittel bei weitem nicht mehr einen so hohen Anteil des Lohnes aus wie vor zehn Jahren.
Die Stadt ist nicht mehr so demokratisch wie sie es noch vor meinem Zuzug nach Warschau im Jahre 2012 war. Spürbar ist eine Abgrenzung der reichen Bevölkerung von der Mittelklasse und den Hilfebedürftigen. Es bleibt zu hoffen, dass in Warschau keine Ghettoisierung eintritt, wie das in anderen Städten der Fall ist.
Warschau im Vergleich zu anderen Städten Europas
Das ist natürlich ein ganz großes Thema. Warschau kann mit anderen Städten in Polen eigentlich nicht mehr verglichen werden, weil der Abstand in allen Bereichen zu groß ist. Dafür sind die Vergleiche mit anderen europäischen Metropolen ins Blickfeld gerückt. Das war vor 10 Jahren noch nicht möglich. Generell haben Hauptstädte, wie oben erwähnt, immer einen anderen Charakter. Sie weisen einen hohen Beamtenanteil aus und sind oft Sitz zahlreicher nichtregierungsorganisationen oder anderer Vereine oder Fonds. Deshalb muss man vorsichtig bei Vergleichen sein. Die Stadtgröße, Bevölkerungszahl sowie die ansässigen Institutionen haben einen erheblichen Einfluss auf die Preise und Vermögensverteilung. Ein 5-Sterne-Hotel lässt sich Kaffeepreise in der Umgebung steigen. Ein solches Hotel wird aber nicht in mittelgroßen Städten gebaut. Warschau lässt sich auch nicht mit Paris und London, die als Primary Cities fungieren, vergleichen. Man muss Warschau also auch entsprechend platzieren können. Konkrete Beispiele will ich hier jetzt nicht nennen. Ich denke, jeder weiß, was gemeint ist.
Nichtsdestotrotz fällt Warschau in allen Statistiken positiv auf. Unterscheiden muss man hier jedoch den Vergleich der Lebenshaltungskosten für die hier lebende Bevölkerung und die Perspektive der Touristen. Bei den Lebenshaltungskosten hat Warschau mit Europas Städten gleichgezogen und zugleich verdient man hier noch nicht den europäischen Durchschnitt. Bei diesem Thema leite ich weiter an den im ersten Abschnitt erwähnten Beitrag über die Kosten in Warschau.
Für Touristen ist Warschau weiterhin wesentlich billiger. Hotels, Gastronomie, Kultur und öffentliche Verkehrsmittel sind hier um einiges billiger als nahezu in allen anderen Großstädten und Touristenstädten Europas. Ein 3-Tage-Ticket für die ÖPNV kostet knapp 7 Euro, der Eintritt in das teuerste Museum beträgt 9 Euro und für 15 Euro bekommt in einem guten Restaurant eine qualitativ hochwertige Mahlzeit. In diesem Bereich kann man sich noch frei bewegen.
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