Flughäfen, es gibt sie in Warschau zwei, oder eigentlich einen, weil der andere fast 40 km von der Warschauer Innenstadt entfernt ist. Bei dem Stichwort Flughafen kriegen die Berliner Gänsehaut und drehen sich ganz schnell weg. Ein echter faux pas, der da vor nicht allzu langer Zeit in Deutschland passiert ist. Braucht Berlin überhaupt eine neuen Flughafen? Ich weiß es nicht. Grundsätzlich werden in Europa kaum neue Flughäfen gebaut. Dann kam 2020 noch die Corona-Pandemie hinzu. Der Flughafen Hahn meldete sogar Insolvenz an. Die Passagierzahlen gingen drastisch zurück. Und bei all dem hin und her, bei dem ungewißen Morgen, bauen die Polen einen neuen Flughafen zwischen Warschau und Lodz. Ist das sinnvoll? Das weiß ich auch nicht. Aber eines ist gewiss: Warschau braucht einen neuen Flughafen!
Mit dem Fahrrad zum Flughafen
Ich wohne im Stadtbezirk Mokotow im ehemaligen Industriegebiet Sluzewiec. Dieses 260 Hektar große Gebiet wurde nach 1990 in das größte Büroviertel Polens umgebaut. Arbeiteten hier früher 20 Tausend Arbeiter, sind es jetzt sogar 120 Tausend Angestellte. Das Verkehrschaos ist so groß, dass man dieses Viertel schwerzhaft als Mordor von Warschau bezeichnet. Aktuell wandelt sich das Bild des Viertels etwas. Es entstehen hier immer mehr Wohngebäude, alte Bürogebäude werden abgerissen und es wird allmählich ruhiger.
Es gibt aber noch eine Sache die stört. Der Chopin-Flughäfen ist nur 4 Kilometer entfernt. Wenn mich Freunde besuchen, hole ich die am Flughafen mit dem Fahrrad ab. Vom Kulturpalast in der Innenstadt ist die Abflughalle keine 8 Kilometer entfernt. Grundsätzlich habe ich nichts dagegen, dass ich mit der Welt verbunden bin. Ich könnte einen Spaziergang zum Flughafen machen, ein Ticket nach New York buchen und in 10 Stunden stehe ich auf der Times Square! Aber zwischen diesem imaginären Flug und dem nächsten echten Flug vergehen zum Teil Monate, manchmal sogar ein Jahr. In dieser Zeit starten Tausende Riesenflieger über meinen Kopf. Wenn Sie nur Lärm machen würden, aber sie hinterlassen auch jede Menge Dreck. Es wäre schön, wenn dieses Ding, welches sich quasi zentral befindet, geschlossen werden würde. Meinetwegen soll an seiner Stelle ein Wohnviertel entstehen. Aber dieser Flughafen muss weg!
Eine Schnittstelle von Straßen, Schienen und Fluglinien
Man kann sich berechtigterweise die Frage stellen, warum sich hier überhaupt ein Flughafen befindet. Als er 1934 eröffnet wurde, war es die gleich Geschichte wie jetzt. Der Vorgängerflughafen war dort, wo sich heute der Park Pole Mokotowskie befindet, also knapp 4 Kilometer von der Innenstadt entfernt. Damals war Warschau jedoch wesentlich kleiner (knapp 130 km²). Der neue Flughafen war für damalige Verhältnisse ziemlich weit weg. Heute hat Warschau 517 Quadratkilometer und ist schon längst über den derzeitigen Flughafen hinausgewachsen. Seit vor einigen Jahren der südliche Abschnitt des Warschauer Rings, dann 2014 die Metrolinie M2 und vor ein paar Wochen der Tunnel unterhalb des Bezirks Ursynow gebaut worden ist, befindet sich der Flughafen mitten in Wohngebieten. Das ist schon blöd, wenn es direkt nach Abflug ein Motorenproblem geben würden.
2017 wurde schließlich beschlossen, dass dieser Flughafen 2027 vom neuen Solidarnosc-Flughafen zwischen Warschau und Lodz abgelöst werden soll.
Auf Polnisch heißt das Projekt Centralny Port Komunikacyjny (CPK), was frei übersetzt Zentraler Verkehrshafen bedeutet. Neben dem Flughafen soll das Schienen- und Straßennetz landesweit ausgebaut und angepasst werden. Neue Schienen sollen bis in die endlegendsten Ecken des Landes Führen oder für Schnellzüge ausgebaut werden. Jeder Bürger des Landes soll innerhalb von 3 Stunden am Flughafen ankommen. Auch das Straßennetz soll ausgeweitet werden, damit die anfänglich geplanten 35 Millionen Passagiere nicht im Stau stecken bleiben. Von Warschau soll die Zugfahrt nur 15 Minuten dauern. In Lodz soll ein 4 Kilometer langer Tunnel gebaut werden. Polen würde bei den geplanten Zeiten zu einem ziemlich kleinen Land. Und weil dieses Projekt total ausgeartet ist, wird es zum Teil sehr heftig kritisiert. Weil das Megaprojekt und der neue Flughafen abwechselnd als CPK bezeichnet werden, weiß man manchmal gar nicht, was genau kritisiert wird.
Warum brauchen wir hier überhaupt einen neuen Flughafen?
Diese Frage stellen sich viele Politiker, vor allem aus dem oppositionellen Lager. Der Grund ist schnell gefunden: sollte dieses gigantische Bauprojekt gelingen, wird die regierende PiS erneut Wahlpunkte sammeln (die sie jetzt bitter nötig haben). Auffällig ist, dass die Befürworter und Verfechter dieses Projektes sich ganz genau an der politischen Weltanschauung erkennen lassen. Nenn mir deine Partei und ich sage dir, ob du für oder gegen den Flughafen bist. Das Problem ist, dass es in Polen keinen numerus clausus gibt, um Politiker zu werden. Diejenigen, die noch etwas Würde haben, verschweigen lieber, dass sie sich in einer Partei als Mitglied eingetragen haben. Der Bau des CPK, egal ob Flughafen oder Verkehrsknotenpunkt, ist leider zu einem politicum absurdum geworden.
Schaut man aus rein wirtschaftlicher und infrastruktureller Perspektive auf den neuen Flughafen, dann kann es nur eine Antwort geben. Wir brauchen diesen neuen Flughafen! Unabhängig von der politischen Überzeugung.
Erstens: Der jetzige Chopin-Flughafen befindet sich mitten in Warschau. Es sind nur einige Kilometer Luftlinie in die Innenstadt. Hier ist auch der Grund, warum man für Drohnen in der Innenstadt eine Sondergenehmigung benötigt. Im Umkreis von 7,5 Kilometern um den Flughafen herum sind diese nämlich aus Sicherheitsgründen verboten. Diese Lage ist nur für die Touristen und Reisende praktisch, für die Anwohner eine Tragödie.
Zweitens: Neben dem Zivil- gibt es noch den Cargo-Flughafen. Und sowohl der eine als auch der andere erreichen ihre Grenzen. Der Chopin-Flughafen kann 25-27 Millionen Passagiere abfertigen. Im vorpandemischen Jahr 2019 waren es schon mehr als 20 Millionen Passagiere. Es gibt also überhaupt keine Alternative. Und der Cargo-Flughafen ist so klein, dass man dort im Prinzip nur Postpakete abfertigen kann. In dem neuen Flughafen könnte man eine Direktverbindung mit dem Zentralhafen in Danzig herrichten.
Und was ist mit dem „Mega“ in dem Projekt?
Das Mega in diesem Projekt ist die Reichweite der Investition. Es sollen in ganz Polen Schnellzüge in alle Städte fahren. Sogar die Stettiner sollen in knapp 2 Stunden am Flughafen sein. Jetzt bräuchten sie fast 8 Stunden. Die Frage ist, ob es nötig ist, unbedingt so viel auf einmal zu machen. Vielleicht wäre es sinnvoller lediglich das zu machen, was 1934 auch gemacht wurde, also Alt gegen Neu. Warschau ist unerwartet groß geworden. Keiner konnte sich 1934 vorstellen, dass die Stadt 2022 über 500 Quadratkilometer groß sein könnte. Und es sieht auch nicht danach aus, dass das Wachstum auf einmal einbricht. Man hätte vielleicht andere Prioritäten setzen sollen.
Hoffen wir also, dass es nicht ein Flughafen á la Berlin sein wird. Denn wird der jetzige erstmal geschlossen und der neue ist noch nicht fertig, werden wir alle nach Modlin fahren müssen. Und das wünsche ich keinem!
Kommentare