Verkehr und Transport

Parken in Warschau: Ein Systemfehler

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Parken verboten!

Kaputte Bürgersteigkanten, schlechte Sicht, kein Platz für Kinderwagen und fehlende Sicherheit für Kinder in Verkehrsberuhigten Zonen, zudem zerfahrende Wiesen und plattgefahrende Blumenbeete. Das sind nur einige Symptome, die das Parkverhalten der Warschauer Autofahrer verursacht. Ich wohne im sogenannten Mordor von Warschau, dem Büroviertel im Stadtbezirk Mokotow. Jeden Morgen, wenn ich mit meinem Hund spazieren gehe, sehe ich die verkehrte Welt des Parkens. Das schlimme dabei ist, dass sich das nun schon seit Jahren wiederholt und sieht in etwa so aus, wie im Film Palm Springs, wo Nyles jeden Tag ein und denselben Tag aufs neue erleben muss. So geht es mir auch. 

Wo soll ich denn sonst parken?

Das ist die Antwort, wenn ich die Autofahrer darauf hinweise, dass sie auf einer Wiese, einem Zebrastreifen, auf voller Breite des Bürgersteiges oder einfach so stehen bleiben, Warnblinklicht einschalten, und nach acht Stunden im Büro wiederkommen und losfahren, als ob nichts passiert wäre. Die Fahrer lassen sich auf den Fahrradfahrern und Fußgängern aus, weil ihnen irgendjemand gesagt hatte, dass ein Mensch mit Auto ein besserer Mensch ist als derjenige ohne Auto.

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Stell dich nicht so an. Du kannst auch andersherum!

Und warum parken sie alle nicht in den unterirdischen Parkhäusern? Es ist bemerkenswert, dass die meisten der unterirdischen Parkplätze leer stehen. Jedes moderne Büro hat genügend Platz für die Autos, die das Gebäude anfahren. Aber es ist wirklich unverschämt, was die von den Autofahrern verlangen: 200 – 300 PLN ist die Norm. Es gibt aber auch echte Wucher: das Koneser-Zentrum in Warschau-Praga will 110 Euro für einen Abstellplatz pro Monat.

Eine Straße, hunderte Strafzettel

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Die Bürgersteigkanten wurden vor zwei Jahren gelegt

Jeden Morgen kloppen sich die Autofahrer um die freien Parklücken wie die Neandertaler um das letzte Stück Fleisch vom erlegten Mammut. Die Stadt bestimmt, wo man für das Parken bezahlen muss. Im Mordor von Warschau ist es (noch) kostenfrei. Aber dafür wird jeder kleinste Fleck ausgenutzt. Es kommt oft vor, dass das Auto schräg steht und das Heck auf der Fahrbahn ruht. Manche Autofahrer stellen sich gleich auf der vollen Breite des Bürgersteiges. Diese schweren Fahrzeuge fahren hier in der Gegend alles platt! Kein schöner Anblick! Aber wo soll er, der Arme, denn sonst parken?

Doch auch wenn es mit der Demokratie und dem Autofahren hier nicht so läuft, wie es ursprünglich geplant war, gibt es immerhin die Ordnungspolizei (Straz Miejska), die nicht mit der Polizei verwechselt werden darf, und verteilt ordentlich Strafzettel oder legt grellgelbe Blockaden an (siehe Beitragsbild). Ein Beamter hat gemeint, dass ein Autofahrer diesen Monat schon acht Strafzettel bekommen hat. Und macht ordentlich weiter. Alleine im März haben sie auf einem 400-Meter-langem Abschnitt über 50 Reifenblockaden angelegt. Purer Wahnsinn, aber eine große Einnahmequelle für die Stadtkasse.

Vor ein paar Wochen wurde die Strafgebühr für Falschparker auf 270 PLN angehoben. Wie es scheint, denken einige noch, dass weiterhin die alte Gebühr iHv. 50 PLN gilt. Damals war es günstiger alle Zeit wieder einen Strafzettel zu bezahlen als ein Parkticket zu ziehen, geschweige denn einen Abstellplatz im Untergrundparkplatz zu bezahlen.

Ich würde die Strafgebühr noch höher ansetzen und diese idealerweise ins Verhältnis zu den Einkommen setzen. Andernfalls bleibt es, wie es ist.

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Die berüchtigen Reifenblockaden in Warschau

Ein Systemfehler

Der Beamte vom Ordnungsamt stimmte zu, als ich im sagte, dass hier an der Basis etwas nicht stimmen würde. Er wackelte nur mit dem Kopf, als er einem Wiederholungstäter wieder den Strafzettel hinter die Windschutzscheibe schob. Er ergänzte, dass auf diesem Abschnitt jedes dritte Auto gegen die Fahrtrichtung parkt; dann sei es auch kein Wunder, dass sie die Beschilderung nicht gesehen haben. Aber womöglich würden sie trotzdem dort parken. Wo sollen sie, die Armen, denn sonst parken?

Es mag vielleicht andernorts besser aussehen, aber hier in Warschau ist es ein Systemfehler. Das Bewusstsein, dass die Autos jede Menge „öffentlichen Schaden“ verursachen, für den wir alle gemeinsam aufkommen müssen, ist nicht vorhanden. Mir fällt ehrlich gesagt nichts konstruktives ein, um das Parkverhalten zu ändern. Ich will gar nicht wissen, was passiert, wenn Corona irgendwann vorbei ist und der Verkehr wieder zum Zustand ante virus zurückkehrt.

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Ein alternativer Abstellplatz neben dem Büroviertel

Weiterführende Links:

Verkehrsregeln in Polen auf www.bussgeldrechner.org

Antoni Administrator
Europäer mit polnischem Herz und deutschem Hirn! Eigentümer des Touristikunternehmens Walking Poland Group, lizenzierter Stadtführer in Warschau, Fotograf, Jurist (1. Staatsexamen), Redakteur
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Antoni Administrator
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