Es geht wieder um das verfluchte Coronavirus, das die Welt außerhalb der ostasiatischen Hemisphäre in große Bredouille gebracht hat. Nun will natürlich niemand, der rational an die Sache rangeht, andere Menschen anstecken. Und deshalb hat einer meiner Bekannten, nennen wir ihn Kowalski, sich testen lassen, nachdem er eine Fieberattacke hatte. „Sicher ist sicher“ würde im Herr Schmidt zustimmend entgegnen. Was daraus geworden ist, kann man dem Titel entnehmen, aber es geht um mehr.
Inhalt
Der Reihe nach!
Letzte Woche Montag, frühmorgens am 15. März, hat sich Kowalski auf der Internetseite des Gesundheitsministeriums für eine Überweisung zum Coronatest registriert. Das ging ziemlich schnell und einfach, man gibt dort seine PESEL-Nummer, also die persönliche Identifikationsnummer, an und bekommt anschließend eine Bestätigung, dass die Überweisung möglich ist. Abhängig davon, was man dort eintippt, kann es passieren, dass die Überweisung abgelehnt wird. Am Ende heißt es, dass sich jemand meldet, um die Daten zu überprüfen.
Bis zum Abend hat Kowalski keine Nachricht erhalten. Auch am Dienstag passiert nichts. Aber das Leben geht weiter.
Am Mittwoch ruft „Jemand“ an, überprüft die Richtigkeit der Daten (Anhand der PESEL-Nummer, die sich auf der Rückseite des Personalausweises befindet) und erläutert, dass Kowalski nach dem Gespräch eine SMS mit der Adresse der Teststelle sowie einer empfohlenen Uhrzeit erhält.
Doch Kowalski wird nach einigen Stunden ungeduldig und prüft auf der Internetseite des Nationalen Gesundheitsfonds (NFZ), wo sich die Teststellen befinden und fährt zur nächstgelegenen. Schließlich hat er eine Überweisung und ist für einen Test registriert.

Am Donnerstag ist es endlich soweit! Das orangene Testzelt sieht er von weitem, leider auch das Dutzend Leute, die während ihrer Home-Office-Stunden die Gelegenheit nutzen. Eine junge Ärztin (?), die zu wissen schien, was sie dort tut, entnahm die Proben aus Nase und Rachen und übergab Kowalski ein kleines rechteckiges Kärtchen mit einer ID-Nummer. Innerhalb von 24 Stunden wird Kowalski das Ergebnis auf der Internetseite des Labors, das die Tests im Namen des NFZ durchführt, nachschauen können. Einfach ID-Nummer eintippen und fertig!
Bis Freitagabend lag kein Ergebnis vor. Dafür aber bekam Kowalski die lang ersehnte SMS mit der Adresse der Teststelle und der empfohlenen Uhrzeit. Der perfekte Termin ist gestern! Trotz dieses kleinen Fauxpas war Kowalski erfreut, dass sein „Wie-komme-ich-klar-mit-dem-polnischen-Staatssystem“-Instinkt ihm dieselbe Teststelle vorgesagt hatte.
Am Samstag ruft Kowalski, weil er erneut etwas ungeduldig wurde, bei dem Labor, das dieses schöne Kärtchen mit der ID produziert hatte, an. Leider weiß die nette Stimme nicht, wie es dazu kommen konnte, dass es diese ID gar nicht im System gibt. Am besten ist es, wenn Kowalski direkt zur Teststelle fährt und mit den Ärzten (?) spricht. Gesagt, getan!
Kowalski fährt zur Testelle. Die Wartenden waren bereit, ihn vorzulassen, da er ja schon einen Test gemacht hatte und er hätte nur eine kurze Frage. Dieses Mal war ein Arzt (?) vor Ort. Wir erinnern uns: am Donnerstag war es eine Ärztin (?). Doch er sagt, er sei am Donnerstag nicht hier gewesen (genau) und weiß nicht, was mit dem Test passiert ist. ABER er kann helfen: er macht jetzt einfach noch einen Test und dann müsste es gehen. So wie vieles in Polen, was von Staatshand geleitet und verwaltet wird. Was ist mit dem Test von Donnerstag? Ach, wer weiß das schon!
Heute ist Mittwoch, es ist mittlerweile etwas mehr als eine Woche vergangen. Noch immer weiß Kowalski nicht, ob er infiziert ist, war oder wie auch immer. Wie lange sind die Viren im Körper? Vielleicht kann man das gar nicht mehr überprüfen? Wer hat die Antworten auf all diese Fragen? Womöglich die Ärzte (?), aber die meisten sind jetzt in Berlin, London und Amsterdam. Vielleicht kommen die ja wieder, zum Sommerurlaub und hoffentlich kennt man einen von denen. Dann könnte man ihn oder sie auf einen Kaffee einladen und bei Gelegenheit genaueres erfahren. Die selbsternannten Experten zum Thema Gesundheit in Polen, also die Politiker, scheinen dahingehend etwas den Überblick verloren zu haben.
Sieh zu, wie du klarkommst!
Kowalski hat mich fragend angeschaut und war erstaunt, dass meine Haltung ziemlich gleichgültig war, nachdem er mir diese Geschichte erzählt hatte. Er wollte wissen, ob ich nicht sauer wäre, oder zumindest erbost. Auf Polnisch haben wir dafür das berühmte K-Wort, welches man in alle möglichen Formen anpassen kann.
Man muss zusehen, wie man hier klarkommt. Man muss sich ein individualisiertes System in der privaten wie öffentlichen Sphäre schaffen, sonst ist man zu sehr auf Glück und Zufall angewiesen. So habe ich in der lokalen Versicherungsanstalt (ZUS) eine Sachbearbeiterin, die sehr zuvorkommend ist und ihren Job ernst nimmt. Meine Dinge erledige ich nur bei ihr. Ähnlich verhält es sich im Finanzamt (dort gibt es für Unternehmen sowieso nur eine Sachbearbeiterin). Würde man darauf hoffen, dass jede/r Beamte/Beamtin fähig ist, die Sache zu meistern, dann wäre ich bestimmt nicht mehr so gelassen und ich würde viel Zeit und Energie dafür aufbringen, um die Fehler zu beheben.
Es ist nicht so, dass in Polen und Warschau nichts funktioniert, aber es funktioniert nicht des Systems wegen, sondern wegen der Menschen, die es bedienen und am Laufen halten. So ist es mit der Wirtschaft, dem Gesundheitssystem, der Bildung und vor allem mit dem Tourismus. Aber es funktioniert nur relativ und vor allem: überall etwas anders. Dass hier noch nicht alles zusammengebrochen ist, kommt einem Wunder gleich.
Man muss das mögen, andernfalls verzweifelt man schnell. Viele Ausländer kommen nach Polen und merken schnell, dass die Dinge hier anders laufen. Haben die Deutschen die Sicherheit der Freiheit vorgezogen, so bevorzugen die Polen die Freiheit vor der Sicherheit (lies: so wenig Staat, wie nur möglich).
Und was ist nun mit dem Test? Ach, wer weiß das schon!
Kommentare