Stand: April 2020
Die höchsten Wohnungen Polens und Europas
Das höchste Wohnhaus in Polen und der Europäischen Union misst 192 Meter und steht in der Zlota-Straße (Zlota = goldene) mitten in der Warschauer Innenstadt. In unmittelbarer Nähe befindet sich die Einkaufsmall Zlote Tarasy (Goldene Terrassen), der Hauptbahnhof und der 237 Meter hohe Kultur- und Wissenschaftspalast. Der Name des Wolkenkratzers ist gleichzeitig seine Postanschrift. Architekt des im Warschauer Volksmund genannten Segels ist Daniel Libeskind, der u. a. das Projekt für das Jüdische Museum in Berlin und den Architekturwettbewerb für das One World Trade Center in New York gewann. Letztendlich führte der Architekt David Child vom amerikanischen Architekturbüro Skidmore, Owings und Merrill das Projekt am Ground Zero aus.
Zlota 44 ist ein reines Wohnhaus. Die Apartments auf den oberen Etagen gehören zu den höchsten in Europa. Im Erdgeschoß gibt es dennoch eine kleine kommerzielle Ecke von 880 Quadratmetern. Sicher ist, dass sich dort keine Bank oder dergleichen einnisten wird. Den Bewohnern wird stattdessen ein Premium-Delikatessenladen oder ein allgemein zugängliches Restaurant zur Verfügung gestellt.
Erholungsetage
Im achten Stockwerk wurde eine Erholungsecke eingerichtet, die nur für die Bewohner bestimmt ist. Ihnen steht ein 25-Meter-Schwimmbecken, ein Golfsimulator, ein Kinosaal und ein SPA-Bereich zur Verfügung. Zudem gibt es dort eine vierhundert Quadratmeter große Terrasse mit Jacuzzi.
Die Lobby

Seit der offiziellen Fertigstellung des Gebäudes am 14. März 2017 kann man sich nun auch die Lobby anschauen, welche ebenfalls von Daniel Libeskind entworfen wurde. Hinter der Drehtür auf der linken Seite wurde eine Sitzecke platziert, dessen Möbel an Kristalle erinnern sollen. Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich die Rezeption, welche natürlich rund um die Uhr besetzt ist. Es sieht alles sehr modern aus und soll zeigen, dass die Innenarchitektur hier künstlerisch gestaltet wurde. Nichts wurde dem Zufall überlassen. Am Tag der Eröfnung wurde in der Lobby zusätzlich eine Sonderausstellung eröffnet. Präsentiert wurden Skizzen von Daniel Libeskind. Die Ausstellung konnte man nur vom 17. bis zum 19. März 2017 besichtigen. Es war äußerst interessant zu sehen, wie „Überlegungen“ eines großen Architekten aussehen.

Daniel Libeskind und Warschau

Daniel Libeskind ist in 1946 in Lodz geboren und emigrierte 1957 mit seinen Eltern nach Israel. 1960 zog die Familie weiter in die USA, wo Daniel Libeskind nach 5 Jahren die amerikanische Staatsbürgerschaft erhielt. Anfangs studierte er Musik und wechselte erst später zum Architekturstudium.
1989 folgte der Umzug nach Berlin, wo er sein Büro Studio Daniel Libeskind öffnete. 2003 zog es ihn nach New York, wo er bis heute lebt und arbeitet.
Zu Warschau hat er ebenfalls eine persönliche Beziehung. Als er geboren wurde, existierte der Kulturpalast noch nicht einmal im Ansatz und die Stadt glich nach Ende des 2. Weltkrieges einem Trümmerhaufen. Seine Mutter wohnte damals in der Nähe der Zlota-Straße, sodass die Familie in Warschau des öfteren besucht wurde. Umso eindrucksvoller erscheint nun die Tatsache, dass sich Daniel Libeskind auf derselben Straße nach so langer Zeit ein Denkmal setzen konnte. Vielleicht zu Ehren seiner Mutter?
Segel oder Adler

Die Warschauer nennen das bläulich wirkende Hochhaus „Segel“. Mit ein bißchen Kinderphantasie und der entsprechenden Perspektive kann ich mich dieser Ansicht anschließen. Der Architekt hingegen vergleicht sein Projekt mit einem Adler, der seine Krone wiedererlangt hat und zum Startflug ansetzt – Richtung Freiheit. Seien wir auch hier nicht so streng – mit Kinderphantasie geht alles. Freiheit war auch das erste, was Daniel Libeskind in den Sinn kam, als er an Polen und Warschau dachte. Finde ich persönlich sehr passend – zumindest aus historischer Sicht. Freiheit war schließlich das wichtigste Exportgut der I. Rzeczpospolita (Königreich bis 1795).
Bei diesem Projekt darf natürlich die Nähe zum Kulturpalast nicht außer Acht gelassen werden. Die ältere Generation und die Haßer der „Linken“ (in Polen hat „links“ eine andere Konnotation) sehen darin immer noch ein Symbol der Unterdrückung durch das Kommunistische System in russischer Ausfertigung. Der Spitzname „Stalinstachel“ sagt mehr aus als manches Buch. Das Segel nun mit „Freiheit“ zu vergleichen lässt eine umso stärkere Ausdruckskfraft entfalten.
Für Libeskind wird der „Adler“ automatisch zum Symbol für das neue Polen, welches nicht mehr im Osten, sondern in Mitteleuropa liegt. Lassen wir das Gebäude also Segel wie Adler sein. Beides hat seine Berechtigung.
Architektonische Pornografie

Bei einem Kulturtreffen im Haus der Begegnungen mit der Geschichte in der Karowa-Straße in Warschau am 12.10.2016 zum Thema „Wie macht man Fotos in einer Stadt“ sprach der Warschauer Fotoreporter Filip Springer über die Pornografie in der Architektur. Der Ansatz ist recht einfach: wenn ein Investor seine künstlich anmutenden Visualisierungen der breiten Öffentlichkeit preisgibt, dann stellt sich diese vor, dass es so oder zumindest so ähnlich aussehen wird. Doch dann kommt die Überraschung. Die Realität ist flacher, breiter und niedriger, die Farben sind rauer und die Umgebung betonreicher. Das ist architektonische Pornografie. Die Orco-Gruppe wurde auch dazu befragt und gebeten Stellung zu nehmen. Warum sieht man die Segelform nicht oder nur aus einer ganz bestimmten Perspektive? Die Antwort entsprach dem Klischee, welches stets über den Köpfen der Investoren schwebt, und hätte besser durchdacht werden sollen. Die Orco-Gruppe sei sich bewußt, dass das Projekt in der Realität „etwas“ vom Projekt abweicht, doch das Gebäude muss schließlich nur den Wohnungseigentümern gefallen.
Und bei dieser Beurteilung lag der Orco-Sprecher daneben! Die Form des Gebäudes betrifft vor allem die Bewohner. Doch der Investor musste für diese totale Fehleinschätzung am Ende viel Geld bezahlen.
Bauverlauf
Die Grundsteinlegung erfolgte im März 2008. Nach anfänglicher Euphorie bekam der Investor immer mehr Schwierigkeiten bei der Beendigung des Projektes. Nachdem man das 17. Stockwerk fertig gebaut hatte, ging dem Investor Orco das Geld aus und die Arbeiter gingen nach Hause gegangen. Dann wurde

von den Anwohnern beim Verwaltungsgericht eine Klage eingereicht. Grund waren formelle Fehler bei der Bauerlaubnis und riesige Schatten, die das Gebäude auf die umliegenden Wohnhäuser warf. Die Klage wurde jedoch abgewiesen und erst im Januar 2011 (!) ging es weiter. Die Orco Gruppe musste dann im Herbst 2013 zugeben, dass das Projekt ihre finanziellen Möglichkeiten überstieg. Fertig war nur die Außenfassade und einige Wohnungen für die Präsentantion. Die Orco Property Group verkaufte das Hochhaus schließlich an den amerikanischen Immobilienfond Amstar und BBI Development S.A. am 27. August 2014. Angeblich hat die Orco-Gruppe bis dahin 700 Mio. PLN für den Bau ausgegeben. Verkaufen musste sie für lediglich 63 Mio. EUR (ca. 260 Mio. PLN bezahlt (Quelle: bbidevelopment.pl – PL+EN).
2017 soll das Gebäude komplett und einzugsbereit sein.
Update: am 14. März 2017 wurde das Gebäude offiziell fertiggestellt und ist nun endlich einzugsbereit. Es erfolgen nur noch Fertigungsarbeiten, um die Appartments den Eigentümern/Mietern zu übergeben.
Bekannte Bewohner

Ende 2016 waren erst 50 Prozent der Appartments verkauft. Im März 2017 60 Prozent. Ein Teil dieser 107 Wohnungen wurden im Rahmen einer Investition der Stiftung Catella Wohnen Europa übertragen. Mitte 2018 soll alles verkauft sein. Erstaunlich klingen dahingehend Presseartikel, welche die offizielle Eröffnung des Projektes auf das 1. Quartal 2017 festsetzen. Viele Warschauer denken nämlich, dass in dem Gebäude schon „gewohnt“ wird. Derweilen wurde Anfang 2017 die Lobby präsentiert, welche als solche ebenfalls noch nicht fertiggestellt ist und erst Anfang März erhielt der Investor die Erlaubnis den Eigentümern die Schlüssel zu übergeben.
Das größte Appartment erstreckt sich auf den 3 höchsten Etagen und ist mit 588 m² ein echtes Gigant. Bisher hat man noch keinen Käufer gefunden.
Der mit Absand berühmteste Eigentümer einer Wohnung im Segel ist Robert Lewandowski (Quelle: www.bryla.pl/ – PL). 2016 erwarb er hier seine eigenen vier Wände und gab bekannt, dass er nach seiner Fußballkarriere sein Leben in Warschau verbringen will.
Preise für die Luxuswohnungen
2014 musste man im Złota-44 für 1 Quadratmeter im Schnitt ca. 7000 EUR bezahlen. Änhlich gestalten sich die Preise für Luxuwohnungen in Prag, Dubai oder Sao Paulo. In Moskau musste man schon 2 Mal mehr aufbringen, in Paris 3 Mal und in London sogar bis zu 8 Mal mehr.
Der bisher höchste Preis pro Quadratmeter in der Złota-Straße lag bei 40,300 PLN.
Im Juli 2016 erfolgte der teuerste Einkauf von Luxuswohnungen auf dem polnischen Markt. Der deutsche Investmentfonds Catella Wohnen Europa mit Sitz in Deutschland erwarb 9 Etagen mit 72 Wohnungen des Złota 44. Gekauft wurden die Wohnungen mit dem Ziel langfristiger Vermietungen. Potenzielle Mieter sind Geschäftsleute und hochrangige Diplomaten, die in Polen arbeiten werden. Zwar wurde der Preis nicht veröffentlicht, doch geht man von einer Transaktionssumme von über 200 Millionen PLN, also ca. 46,5 Millionen EUR, aus (Quelle: wyborcza.pl / polnisch).
Der Investor gibt grundsätzlich keine genauen Preise bekannt.
Martkanteile
Rechnet man alle verkauften Luxuwohnungen in Warschau zusammen, hatte die Złota 44 daran einen Anteil von 25 Prozent (2016).
Basisdaten
Beitragsbild: Zlota 44 (rechts) und die Goldenen Terrassen (links) von Fred Romero via Flickr [CC BY 2.0]
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