Vor allem in Nordamerika und Europa haben die geräuschlosen Elektroflitzer jetzt schon eine unglaubliche Karriere hinter sich. In Warschau gibt es mittlerweile tausende davon. Neben den öffentlichen Verkehrsmitteln, den Elektroautos im Car-Sharing-System, den Leihfahrrädern des städtischen Verleihsystems Veturilo und den Elektrorollern im Minutentakt sind die Elektrotretroller die perfekte Ergänzung für den Verkehr in der polnischen Hauptstadt. Für viele sind sie jedoch auch eine Plage, die man unverzüglich verbieten sollte.
Wie sollen wir das Ding denn eigentlich nennen?
Diese Frage konnte eigentlich nur in Deutschland gestellt worden sein. Dort gab es vorab eine brexitähnliche Debatte im Bundestag über das „Gefährt“ selbst. Elektrotretroller – JA, nur WIE und unter welchen Voraussetzungen? Hat man diese Frage des Jahres beantwortet, kommt jetzt noch die allentscheidende Frage des WAS! Scooter? Elektrostehroller? Elektroroller? E-Tretroller? Elektrotretroller? Elektroscooter? Oder doch gleich abgehoben Elektrokleinstfahrzeug? Der Duden sagt dazu erstmal nichts. Dort beobachtet man die zum Teil verrückten Ideen und reagiert irgendwann im vatikanischen Tempo mit einem wissenschaftlichen Beitrag. Einen netten Artikel zu diesem deutschen Thema kann man im Spiegel nachlesen. Wie es scheint werden sich E-Scotter und Elektrotretroller mit der Zeit durchsetzen und genau diese Begriffe werden auch wir benutzen.
Wie ist es in Polen? Obwohl die polnische Sprache zu den schwierigsten auf der Welt gehört, sind sich alle Polen einig: hulajnoga elektryczna, nicht mehr und nicht weniger. Es ist auch ausnahmsweise nicht so schwierig auszusprechen. Fonetisch: hulainoga elektritschna
Wieviele Elektrotretroller gibt es in Warschau?
Die ersten Elektrotretroler tauchten urplötzlich im Oktober 2018 auf. In der ganzen Innenstadt wurden sie in jeder Straße sichtbar in Reih und Glied aufgestellt. Mit der Zeit wurden auch die äußeren Bezirke zugestellt. Nachdem der Erfolg des ersten Anbieters Lime sichtbar wurde, stießen die Verleiher hive, Bird, CityBee und Blinkee City hinzu. Nach einem Bericht der Firma Vooom gab es im April 1794 Autos, 6200 Fahrräder, 350 Roller und 3650 Elektrotretroller in Warschau, welche im Minutentakt gemietet werden können.
Zebraliśmy dane dot. transportu współdzielonego w Warszawie – mieszkańcy stolicy mają naprawdę duży wybór pojazdów na minuty! Odpal Vooom i zobacz jak najszybciej dojechać do piątkowego celu 🙂 #warszawa #carsharing #maas pic.twitter.com/yH8oqVArOq
— Vooom (@vooompl) April 26, 2019
Überfahren und dazu noch schuldig
Im April 2019 berichtet die Medienwelt von einem Unfall mit einem Elektrotretroller auf der Krakowskie-Przedmiescie-Straße in Warschau. Der Fall erregte sehr viel Aufsehen. Der Grund: ein Jugendlicher fuhr mit einem Elektrotretroler mit voller Wucht in eine Touristin aus der Tschechischen Republik. Der Aufprall war so stark, dass die Geschädigte ins Krankenhaus gebracht werden musste. Doch sie war diejenige, der die Polizei am Krankenbett einen Strafzettel zurücklies. Nachdem die Aufnahmen der Sicherheitskameras überprüft wurden, stellten die Polizisten fest, dass ihr Verhalten zum Aufprall geführt hatte. Während sie ein Foto machen wollte, bewegte sie sich rückwärts und blockierte so den Fahrweg des Jugendlichen. Höhe des Strafzettels: 50 PLN. Warum fährt der Jugendliche eigentlich auf dem Bürgersteig?
Gesetzliche Regelung – aktuell
Grundsätzlich ist eine Person, die sich auf einem Elektrotretroller fortbewegt, weiterhin ein Fußgänger und hat somit auch die Pflicht sich auf dem Bürgersteig aufzuhalten. Insoweit ist der oben beschriebene Fall ein Zusammenstoß zwischen zwei Fußgängern. Wäre der Jugendliche auf der Straße oder auf dem Fahrradweg gefahren, hätte er damit gegen das Gesetz verstoßen. Es gibt im polnischen Recht schlichtweg eine Gesetzeslücke, die unbedingt geschloßen werden sollte. Vielleicht nicht niet- und nagelfest wie in Deutschland, allerdings herrschen bislang sehr viele Unsicherheiten und die Menschen wissen oft nicht, wie sie sich verhalten sollen. Schockierend ist zudem, dass diese Gesetzeslage dazu führt, dass man in Polen sogar nach Alkoholgenuß im angetrunkenen Zustand einen Elektrotretroller fahren darf. Sie erreichen eine Höchstgeschwindigkeit von bis zu 28 km/h.
Ein Elektrotretroller würde anders behandelt werden, wenn es ein mechanisches Gefährt wäre. Doch dafür müsste die Stromkraft bei mindestens 250W liegen oder das Verkehrsmittel müsste Höchstgeschwindigkeiten von über 25 km/h entwickeln. Ein Elektrotretroller fällt nicht unter diese Regelungen, obwohl alle bestätigen können, dass diese Dinger manchmal schneller als 25 km/h fahren. (Art. 178a § 1 Kodeks Karny).
Gesetzliche Regelung – geplant
Das Infrastrukturministerium plant aktuell eine Anpassung der gesetzlichen Regelungen im Hinblick auf die Elektrotretroller. Doch ist der vorgeschlagene Wortlaut sehr allgemein. In dem Gesetzesvorschlag liest man, dass Benutzer „langsam“ und mit „besonderer Vorsicht“ fahren und dabei den Fußgängern Vorrang gewähren sollen. Es sollen auch die Fahrradwege benutzt werden. Sollte ein solcher fehlen, müssten die Fahrer auf die Straße ausweichen, allerdings nur auf Abschnitten mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung bis 30 km/h. Gibt es weder das eine noch das andere, dann dürfen die E-Scooter auf dem Bürgersteig fahren.
Für viele ist dieser Gesetzesvorschlag zu lasch und unzureichend definiert. Die Höchstgeschwindigkeit derjenigen Straßen, die genutzt werden sollen, sofern kein Fahrradweg vorhanden ist, soll auf 50 km/h angehoben werden. Es tauchen auch Vorschläge auf die E-Scooter nur auf bestimmten Straßen fahren zu lassen und gar von den Betreibern eine Nutzungsgebühr einzufordern, denn würden jene schließlich Geld daran verdienen.
Es gibt auch vereinzelt Stimmen, man solle die Elektrotretroller in Warschau schlicht und einfach verbieten.
Elektrotretroller verboten!
Der königliche Lazienki-Park [Museum] in Warschau reagierte blitzschnell und hat an den Einfahrtstoren des Parks ein zusätzliches Schild aufhängen lassen. Bisher war nur das Fahrradfahren im Park verboten. Viele glaubten, dass im Umkehrschluss Elektrotretroller erlaubt seien. Der schönste Park in Polen ist und bleibt also verschont von den leisen und gefährlichen Flitzern. Komme vom Infrastrukturministerium was wolle.
Preise
Die Preisliste der fünf Anbieter ist sehr ähnlich. Zunächst muss man eine Startgebühr verrichten. Diese liegt zwischen 2 PLN (Lime, Hive, CityBee) und 3 PLN (Bird). Blinkee City nimmt 2,5 PLN. Anschließend wird für jede Minute gezahlt. Hier liegt die Preisspanne zwischen 0,45 PLN (Lime, Hive, CityBee) und 0,50 PLN (Bird). Die E-Scooter von Blinkee City kosten 0,49 PLN pro Minute.
Nur Blinkee City ist eine polnische Firma, welche die ersten Elektroroller (nicht Elektrotretroller) zum Mieten im Minutentakt in Polen (dritte in Europa) auf den Markt gebracht hatte. Die Firma wurde 2016 von zwei Brüdern gegründet. Lime ist ein US-Amerikanisches Unternehmen mit mehr als 2000 E-Scootern alleine in Warschau, das deutsche Hive hat 1000 Stück, CityBee kommt aus Litauen und bietet 400 Tretroller an und der US-amerikanische Bird hat dann nochmals 100 E-Scooter.
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