Land und Leute

Der Zank um den Weihnachtsbaum

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Grundsätzlich ist in Polen bekannt, dass der Weihnachtsbaum aus Deutschland importiert wurde. Doch die Einführung, vor allem in Warschau, verlief nicht ohne Widerstand. Und überhaupt stellt sich die Frage, warum die Katholiken diesen Brauch als ihr Eigen nennen, wenn doch die Protestanten die ersten waren, die den Tannenbaum ins Haus schleppten?

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Der Weihnachtsbaum kommt nach Polen

Nach der 3. Polnischen Teilung von 1795 wurde die ehemalige polnische Hauptstadt zur preußische Provinzstadt degradiert. Der einzige in Warschau gekrönte König von Polen Stanislaw August Poniatowski ging ins Exil und verstarb in St. Petersburg, der Sejm und Senat schlossen ihre Pforten und die einst stolze Hauptstadt versank in schweigender Stille. Aus der Ferne sah man sie kommen, die preußischen Soldaten und vor allem, eine ganze Heerschar Beamten. Die Warschauer Syrenka wurde durch den schwarzen preußischen Adler ersetzt, Deutsch wurde zur Amtssprache erklärt und 12 000 nette Soldaten sorgten für Ruhe und Ordnung. Es gab aber auch positives: der preußische Verwaltungsapparat führte Hypothekenbücher (Grundbücher) ein, die rechtliche Situation der jüdischen Bevölkerung wurde endgültig geregelt und E.T.A. Hoffmann verlieh ihnen deutschklingende Nachnamen. Einem Herrn Josef gab er den Zusatz Szuldenfrey, lies schuldenfrei.

Schließlich fand dann auch langsam aber sicher der Weihnachtsbaum den Weg in die polnischen Wohnstuben.

Der kommt mir nicht ins Haus!

Die Vorbereitung auf Weihnachten ist gedacht als Zeit des Fastens, der Ruhe und des In-Sich-Gehens. In der Praxis sieht es jedoch ganz anders aus. Es dominieren Hektik und Stress. Nach einem harten Arbeitstag muss man noch in den modernen Überlebenspark (lies: Einkaufszentrum), um sich nach Geschenken umzuschauen. Polen ist zudem durchweg Weltmeister im Schlange-Stehen und die polnische Post ist dahingehend der Trainer des Jahrhunderts. Seit Jahrhunderten hat sich nichts geändert. Das wirre weihnachtliche Getummel gab es schon im 18. und 19. Jahrhundert. Nur die Schlangen an der Post waren kürzer.

Bei all dem Chaos und Durcheinander verursacht durch die Teilungen und Übernahme der Ländereien taucht plötzlich der Weihnachtsbaum auf, welcher ins Haus geschleppt und dekoriert wird. Ursprünglich kommt dieser Brauch aus dem deutschen Kulturraum, wo die Protestanten im 16. Jahrhundert mit dieser Neuheit anfingen. Es dauerte dann auch seine Weile, bis die katholischen Länder sich diesen Brauch zu Eigen machten. Es gibt sogar eine Vermutung, dass die Pariser z.B. die bunten Tannen paadoxerweise erst nach 1870 akzeptierten. Bei den Preußen machte die Armee also stets den ersten Schritt, dahiner dann die Beamten, die Ordnung, die Regeln und unterm Arm der Weihnachtsbaum.

In Warschau waren die Protestanten die ersten, die dahingehend auf sich aufmerksam machten. Die Katholiken machten es ihnen nach. Das war mit viel Gegenwehr verbunden. Oftmals hörte man von Familienvätern, dass dieser heidnische Brauch nicht ins Haus kommt, weil er doch von den Deutschen kommt. Ein Weihnachtsbaum war jedoch schöner, attraktiver und er war immergrün. Vor allem die Kinder waren von der Idee eines dekorierten Weihnachtsbaumes überwältigt.

Bis zu dieser Zeit stellte man in Warschauer Wohnstuben in der Weihnachtszeit Getreidegarben auf.

Der ideale Baum

Sehr schnell gewann der Weihnachtsbaum die Herzen der Warschauer, obwohl er aus Deutschland (Preußen) kam und trotz Gegenwehr der Traditionalisten, die gegen die freudigen Augen der Kinder keine Chance hatten. In den allermeisten Fällen war es eine Fichte, die man ein paar Tage vor Heiligabend nach Hause brachte. Der ideale Baum musste bis an die Ecke reichen, in einem Metallständer stehen und gleichmäßig verteilte Zweige haben.

Und was ist mit der Dekoration? Da gab es verschiedene Varianten. Die einen meinten, dass alles, was man aufhing, essbar sein musste. So war der Baum bestückt mit Äpfeln, Rosinenketten, Süßigkeiten in glitzernder Verpackung oder Lebkuchen. Andere widerrum wollten ihren Baum kunstvoll dekorieren. Allerdings gab es anfangs nur Produkte aus Deutschland (Preußen), die aufgrund der zum Teil brutalen Behandlung der polnischen Bevölkerung nach den Teilungen boykottiert wurden. Daher machte man eigene Dekorationen aus regionalen Rohstoffen. Ketten aus Stroh, ausgeblasene Eier oder raffiniert geschnitzte Figuren aus Holz.

Am 6. Januar wurde der Baum schließlich entkleidet und kam Stück für Stück in den Ofen. 1806 gingen dann auch die Preußen. Aber der Brauch blieb, bis heute.

Und wer bringt die Geschenke?

Dann gibt es ja noch die vergessene und kurzlebige Geschichte mit dem preußischen Heiligen Christ. Im heutigen Polen legen an Weihnachten verschiedene Wesen die Geschenke unter den Baum. Gwiazdor (Stern/Star), Dziadek Mroz (Opa Frost), Dzieciatko (Jesuskind), Gwiazda und natürlich auch der Weihnachtsmann.

Aber das ist eine ganz andere Geschichte…

Antoni Administrator
Europäer mit polnischem Herz und deutschem Hirn! Eigentümer des Touristikunternehmens Walking Poland Group, lizenzierter Stadtführer in Warschau, Fotograf, Jurist (1. Staatsexamen), Redakteur
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