Politik

Warum ist die regierende PiS unschlagbar?

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Für die Europawahl 2019 hat sich die Opposition in einem riesigen politischen Block zusammengeschloßen, die Europäische Koalition (KE). Und trotzdem hat sie eine niederschmetternde Niederlage hinnehmen müssen. Wie ist es möglich, dass der nahezu gesamte oppositionelle Block der polnischen Politik nicht in der Lage ist die regierende Recht und Gerechtigkeit (PiS) unter Führung von Jaroslaw Kaczynski von der Staatslenkung abzulösen? 

Die Gründe liegen gar nicht an einer vermeintlich genialen Führungsstrategie durch Jaroslaw Kaczynski, dem jegliches Charisma fehlt. Vielmehr führt uns die Fehlersuche in die Mitte der Opposition, zur Bürgerplattform (PO) und ihrer unglaublich naiven wie empathielosen Politik.

Schlechte Verlierer

Die Oppositionspolitiker müssen endlich lernen der siegreichen Partei Glückwünsche auszusprechen, so schwer es ihnen auch fallen mag. Demut ist kein Zeichen von Schwäche, ganz im Gegenteil. Damit würden sie beweisen, dass ihr Handeln von hoher politischer Kultur geprägt ist. Andernfalls gibt die politische Führungselite der Opposition ein Signal an die gesamtpolnische Wählerschaft, welches lautet „Wir haben zwar die Wahl verloren, doch Schuld daran seid ihr, weil ihr entweder gar nicht wählen gegangen seid, oder trotz Abgabe einer Stimme die falsche Partei gewählt habt!“. Im Wahljahr 2015 hat die PO zunächst im Mai die Präsidentschaftswahl verloren, anschließend im Oktober die Parlamentswahlen, 2018 die Kommunalwahlen und nun auch die Europawahlen 2019. Der ehemalige Außenminister (2007-2014) aus dem Flügel der PO Radoslaw Sikorski hat nach der letzten Schlappe dennoch den unverschämten Mut die Wahl als Sieg zu bezeichnen. Nur zur Erinnerung: die PiS hatte mit 45,38 Prozent einen Vorsprung von 6,91 Prozent. Warum behauptet Herr Sikorski, dass die KE dennoch gewonnen hat? Weil die Brüsseler Politwelt bei den Politikern der KE anruft, sofern es um die Vergabe der lukrativen Posten geht. Die Politiker der PiS seien isoliert. Immerhin hat er dem Gegenkanditaten noch für eine gelungene Wahlkampagne gratuliert.

Die Wähler sind Schuld

Auf einem wissenschaftlichen Treffen an der Universität Warschau zum Thema Klimaschutz sprachen alle anwesenden nur über die vergangenen Europawahlen. Gebräuchlich waren die Formulierungen „Wir“ und „verloren“. Somit war ziemlich schnell klar, welcher politischen Richtung die Teilnehmer folgten. Ein Gastprofessor der Jagiellonen-Universität ging genauer auf das Wahldebakel ein und erklärte, dass das „Patriziat“ (sic!) die Opposition wähle und der „Plebs“ (sic!) die regierende PiS. Wie aufschlußreich!

Der Präsident der Stiftung des jährlich ausgetragenen Großen Orchesters der Weihnachtshilfe und große Berühmtheit in den polnischen Medien Jerzy Owsiak drehte dazu noch einen kurzen persönlichen Film. Er sagte, dass die Nicht-Wähler sich schämen sollen, was darauf schließen lässt, dass wenn alle wählen würden, die Opposition die Wahl gewonnen hätte. Tatsächlich lag die Wahlbeteiligung „nur“ bei 45,68 Prozent. Doch warum hat er sich vor fünf Jahren nicht mit einer ähnlichen Kritik an das Volk gewandt? Bei der Europawahl 2014 sind wirklich nur 23,83 Prozent der Wähler in die Wahllokale gegangen. Weil damals die PO gewonnem hat? Geht es Herrn Owsiak also nun um die niedrige Wahlfrequenz als solche oder ist er frustriert, dass er womöglich weitere Jahre gegen die regierenden PiS ankämpfen muss? Beschämend, dass er sich das Recht nimmt Handlungen freier Bürger zu bewerten, die nicht gegen das Recht verstößen.

Wahlprogramm: Anti-Kaczynski

Seit den verlorenen Wahlen im Jahre 2015 basiert das Wahlprogramm der Opposition und vor allem der Bürgerplattform (PO) auf einem tiefen Hass gegen Jaroslaw Kaczynski. Seit 2015 warten die Wähler der PO auf ein überschaubares, verständliches und nachvollziehbares Parteiprogramm. Derweilen bekommen diese nur ein bemitleidenswertes und trauriges Anti-Kaczynski-Programm geliefert. In Kurzform lautet es: wenn der Wähler die PO wählt, wird man Kaczynski stürzen können! Das ist eine politische Farce. Der Zuschauer weiß nur nicht, ob er lachen oder weinen soll. Und Herr Kaczynski? Bei einer solchen Opposition braucht er sich nur zurücklehnen und in aller Seelenruhe  die nächste Wahl abwarten.

Angriff auf die Kirche

Der sichtbare Angriff auf die Kirche durch Mitglieder der Opposition mobilisiert die Wählerschaft der PiS. Wenn man eine Wahl gewinnen will, dann greift doch niemand diejenigen Institutionen an, die dem Wähler der Gegner heilig sind. Überhaupt greift man die Wählerschaft nicht an. Schließlich will man sie doch überzeugen das politische Lager zu wechseln. Die KE hat mit der scharfen Kritik der Kirche nicht eine einzige Stimme gewinnen können. Will man die Kirche zur intensiveren Aufarbeitung der Kindermißbrauchsfälle zwingen, muss man zunächst die Wahlen gewinnen, um politisch überhaupt aktiv werden zu können.

Die Stimmung der Straße erkennen

Jede Gesellschaft weist eine Grundstimmung auf, welche die Politiker erkennen müssen. Und genau diese politische Empathie fehlt so ziemlich der gesamten Opposition. Wenn die Wählerschaft immun ist gegen den Verfassungsmißbrauch, die Absetzung von Richtern, Geldaffären, Nepotismus und Prozessverstöße der Staatsanwaltschaft beim Birgfellner-Fall mit Herrn Kaczynski als Hauptakteur, so sucht man sich notwendigerweise andere Themen, mit denen man das Volk an sich binden kann. Wenn dem Kabarettisten die Witze ausgehen, dann muss er halt Politiker werden. Aber auch hier: nach vier Jahren hören wir weiterhin die alte Leier!

Leider ist der einzige Hoffnungsträger der Opposition in Brüssel. Donald Tusk, der Präsident des Europäischen Rates, hat in seiner Rede in der Universität Warschau über Klimaschutz, Smogprobleme, künstliche Intelligenz und moralische Verantwortung gesprochen. Das waren Themen, die vor allem die jüngere Generation versteht und damit auch etwas anfangen kann. Mit diesen Themen werden jedoch keine Stimmen gewonnen, sondern lediglich die Wählerschaft gefestigt.

Tempus fugit

Es bleibt nicht mehr viel Zeit. Im Oktober 2019 steht schon die nächste Wahl bevor. Und schon jetzt hört man von den Opositionspolitikern, dass diese nahezu sieben Prozent leicht aufgeholt werden können. Man könnte ja fast behaupten, dass die Wahl so gut wie … gewonnen ist, oder nicht?

Es ist erstaunlich wie schlecht die Opposition die Stimmung der Straße liest. Es geht gar nicht um die Tatsache, dass die regierende PiS die Wahlen gewinnt, sondern um den Vorsprung, den sie jedes Mal hat. Natürlich wurden viele Wahlversprechen gemacht, und natürlich sind die Wähler darauf reingefallen, wobei nicht alle Sozialprogramme schlecht waren. Herr Kaczynski ist ein Politiker ohne Charisma, er hat den Übergang ins 21. Jahrhundert verpasst, den Fall des Kommunismus im gemütlichen Sessel verpennt und bedient sich der polnischen Romantik wie Adam Mickiewicz im 19. Jahrhundert. Und die Menschen folgen ihm! Warum? Weil man ihn nur lieben oder hassen kann. Er liebt sein Polen über Alles und seine Anhängerschaft ist nur deshalb nicht breiter, weil er die Jugend nicht versteht. Die Opposition soll froh sein, dass er in früheren Jahren nicht den Posten des Gewerkschaftsvorsitzenden der „Solidarnosc“ übernommen hatte, denn dort hätten man ihn nur lieben können. So ist er zumindest nur Parteivorsitzender, wohlwissend, dass ihn die andere Hälfte, die ihn hasst, an der Übernahme eines seriösen Postens hindert.

Die Zeit flieht, aber bis Oktober ist ja noch viel Zeit um die Wähler zu überzeugen die richtige Entscheidung zu fällen!


Beitragsbild: Error von Dennis Skley via flickr [CC BY-ND 2.0]

Antoni Administrator
Europäer mit polnischem Herz und deutschem Hirn! Eigentümer des Touristikunternehmens Walking Poland Group, lizenzierter Stadtführer in Warschau, Fotograf, Jurist (1. Staatsexamen), Redakteur
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