In der „gazeta warszawska“ hat Andrzej Lej in seinen „Politischen Notizen (zapiski polityczne) die Ergebnisse einer etwas ungewöhnlichen Umfrage veröffentlicht. Das „Spiel“, wie er es nannte, sollte aufzeigen, wer zwischen 1918 und 2018 der „Beste Politiker Polens“ war. Es entstand aber auch eine Liste der „Größten Schädiger“. Vor allem die schlechte Liste trägt heute sehr bekannte Namen. In Polen herrscht Wahlkampagne. Im Mai sind Europawahlen. Im Oktober die lang ersehnten Parlamentswahlen.
Die Zeitung erscheint wöchentlich, die Auflage beträgt im Schnitt 100 000 Exemplare und wird zudem in den USA gedruckt.
Die besten Politiker Polens
Los geht es mit der guten Liste. Auffällig sind zwei kirchliche Würdenträger und uniformierte Personen. Nach 1990 hat sich dahingehend viel geändert. Die Kirche in Polen verliert seit Jahren an Glaubwürdigkeit als moralischer Unterbau der Gesellschaft zu funktionieren.
Position | Name | Zeitraum | Funktion |
---|---|---|---|
1 | Roman Dmowski | 1864 - 1939 | Außenminister 1923; "Vater des polnischen Nationalismus"; Abgeordneter des Sejm (II. Republik), Abgeordneter der II. und III. Duma der Russischen Imperiums |
2 | Ignacy Paderewski | 1860 - 1941 | Pianist, Premierminister 1919, Außenminister 1919 |
3 | Jozef Pilsudski | 1867 - 1935 | "Vater der II. Republik", der erste Marschall (Marszalek) von Polen, Premierminister 1926-1928 und 1930 |
4 | Johannes Paul II. | 1920 - 2005 | Papst |
5 | Wincenty Witos | 1874 - 1945 | Premierminister 1920-1921, 1923 und 1926 |
6 | Jaroslaw Kaczynski | geb. 1949 | Premierminister 2006-2007, Vorsitzender der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) seit 2003 |
7 | Witold Pilecki | 1901 - 1948 | Offizier in der II. Republik Polen |
8 | Lech Kaczynski | 1949 - 2010 | 2005 - 2010 Präsident der III. Republik Polen |
9 | Tadeusz Rozwadowski | 1866 - 1928 | Feldmarschallleutnant in der k.u.k. - Monarchie, General in der II. Republik Polen |
10 | Wojciech Korfanty | 1873 - 1939 | Mitglied des Deutschen Reichstages 1903-1912 und 1918, (Vize)-Ministerpräsident der II. Republik Polen |
- | Stefan Wyszynski | 1901 - 1981 | Erzbischof von Gnesen und Warschau, Primas von Polen |
Die schlechtesten Politiker Polens
Nun folgt die interessantere Liste, auf welcher Namen auftauchen, die man sehr gut kennen müsste. Lech Walesa, Friedensnobelpreisträger und zweiter Präsident der III. Republik Polen, befindet sich immerhin noch auf Platz neun, direkt hinter Donald Tusk, der seit 2014 Präsident des Europäischen Rates ist. Beide haben Polen in den Abgrund gestürzt, die Nation geteilt, das Land politisch abgeschottet und nichts außer Ruinen hinterlassen. Wenn Sie das, liebe Leser, nicht so sehen, brauchen sie lediglich etwas Polnisch lernen und eine Woche Fernsehen schauen. Dort wird seit Jahren kaum über etwas anderes gesprochen.
Der Autor des Projektes nannte die folgende Personengruppe „die größten Schädiger“. Im Wörterbuch wird das Wort szkodnik auch mit „Schädling“ übersetzt. Damit wollte ich mich nun auch nicht weiter beschäftigen.
Position | Name | Zeitraum | Funktion |
---|---|---|---|
1 | Boleslaw Bierut | 1892 - 1956 | Staatspräsident der Volksrepublik Polen 1947-1952, Vorsitzender der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei 1948-1956 |
- | Wojciech Jaruzelski | 1923 - 2014 | General der Volksrepublik Polen, Präsident der Volksrepublik Polen 1989, I. Präsident der III. Republik Polen 1989-1990 |
3 | Jakub Berman | 1901 - 1984 | Polnischer kommunistischer Politiker |
4 | Czeslaw Kiszczak | 1925 - 2015 | General der Volksrepublik Polen, Innenminister der Volksrepublik Polen 1981-1990 und der III. Republik Polen 1990 |
5 | Adam Michnik | geb. 1946 | Chefredakteur der größten Tageszeitung in Polen "Gazeta Wyborcza" |
6 | Leszek Balcerowicz | geb. 1947 | Finanzminister der III. Republik Polen 1989-1991, Präsident der Polnischen Nationalbank 2001-2007 |
7 | Hilary Minc | 1905 - 1974 | Polnischer kommunistischer Politiker und Ökonom |
8 | Donald Tusk | geb. 1957 | Premierminister der III. Republik Polen 2007-2014, seit 2014 Präsident des Europäischen Rates |
9 | Lech Walesa | geb. 1943 | Vorsitzender der Gewerkschaft Solidarnosc 1980-1990, Präsident der III. Republik Polen 1990-1995, Friedensnobelpreisträger |
10 | Jozef Cyrankiewicz | 1911 - 1989 | Fünffacher Premierminister der Volksrepublik Polen |
Pilsudski oder Dmowski?
Die wenigsten deutschsprachigen Leser wissen, dass die Nationalisten eine Autorität haben, der sie sich moralisch und gewissenhaft verpflichtet fühlen. Zugleich haben die wenigsten Nationalisten auch im Ansatz eines seiner Bücher gelesen und zitieren oft nur kleine Abschnitte. Roman Dmowski wird oftmals als Vater des polnischen Nationalismus bezeichnet. Dass er eine prorussische und zugleich panslawische Idee mit Polen als einem Teil des Großreiches unter russischer Führung propagierte, stört die modernen Nationalisten nicht im Geringsten.
Der größte politische Gegner von Dmowski war Jozef Pilsudski. Man kann ihn als den „polnischen Atatürk“ bezeichnen, um seine Stellung in der polnischen Gesellschaft zu verstehen. Es gibt wohl keinen Polen zwischen Oder und Bug, der ihn nicht zumindest vom Namen her kennt. Pilsudski sah im Russischen Imperium im Gegensatz zu Dmowski den größten Feind der Polen. Sein ganzes Leben widmete er dem erbitterten Kampf gegen die russische Führung und somit der Gründung eines unabhängigen Polen.
Nicht nur zwischen diesen beiden Politiker knirschte es. Die Anhänger beider Lager streiten quasi bis heute darum, wer von den beiden der beste Politiker des letzten Jahrhunderts war. Nach hundert Jahren entflammt der Streit erneut. Das linke Lager wie auch das rechte Lager der polnischen Politwelt im 21. Jahrhundert verhalten sich, als ob sie von einer Zeitmaschine zurück gebracht worden wären. Während das linke Weltbild einer grundlegenden Veränderung unterlegen ist, kämpft das rechte Lager immer noch gegen dieselben Feinde der 20er und 30er Jahre. Sie fürchten sich vor liberalen Werte, vor dem übermächtigen Einfluß des Weltjudentums, vor der Abhängigkeit des polnischen Staates von internationalen Supranationalen Organisationen. Im 21. Jahrhundert kam lediglich noch der Islam als Feind hinzu.
Und weil sie sich fürchten, reagieren sie irrational destruktiv.
Die schlechtere Sorte
Der Autor der Liste wünschte sich Pilsudski auf Platz 1 der guten Liste. Am liebsten wäre es ihm, wenn die Kaczynski-Brüder ebenfalls ganz oben stünden. Er ist sich aber bewußt, dass diejenigen Politiker beliebter sind, welche schon länger tot sind, weil man mehr Zeit hatte, um sich derer Errungenschaften bewußt zu werden. Vielleicht hat er sich bei den letzteren mit der schlechten Liste vertan?
Herr Kaczynski hatte vor ein paar Jahren bei einer seiner mitreißenden Reden davon gesprochen, wer Pole ist und wer nicht. Dazu benutzte er die Bezeichnung der „schlechteren Sorte“. Mittlerweile ist diese Bezeichnung zur Alltagssprache geworden. Es gibt dafür noch keine genaue Definition. Manche nennen sich selber so, um sich von der „weltoffenen“ Politik des Herrn Kaczynski abzugrenzen. Aber wenn er etwas positives in seiner politischen Laufbahn getan hat, dann war es sicherlich nicht die Schaffung einer Einheit der Gesellschaft. Vielmehr eine bewusste Spaltung.
Wie ist es eigentlich, wenn ein weißheutiger Niederländer eine schwarzheutige Nigerianerin in einer katholischen Kirche in Polen heiratet und das Kind unter dem Namen Rafael im Warschauer Krankenhaus geboren und polnisch erzogen wird? Ist das auch dann eine schlechtere Sorte oder nur zweite Klasse?
Beitragsbild: Judas. Who´s different now…? | Rodrigo Benavides [CC BY -NC-ND 2.0]
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