Leben in Warschau

Arbeitslosengeld in Polen. Für wen, wann und wie viel?

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Das in meinen Augen folgenreichste Unterscheidungsmerkmal zwischen Ost- und Westeuropa ist das Sozialsystem und im Hinblick darauf die Bereitschaft der Gesellschaft diejenigen zu unterstützen, die dieser Hilfe dringend benötigen oder für fehlgeschlagene Investitionen aufzukommen. Das spiegelt sich dann auch in der Flüchtlings-, Integrations- und Betriebspolitik wide. In einem weiteren Beitrag möchte ich darauf näher eingehen. An dieser Stelle will ich nur auf ein Beispiel zu sprechen kommen, welches diese völlig andere Rangehensweise klar umreißt, nämlich das Arbeitslosengeld in Polen. 

Wer bekommt Arbeitslosengeld in Polen?

Die wichtigste Voraussetzung für die Bewilligung von Arbeitslosengeld in Polen ist die Dokumentierung von Arbeitsverhältnissen mit einer Gesamtdauer von 365 Tagen innerhalb der letzten 18 Monate, die dem Tag des Antrags vorausgehen . Eine Überprüfung des Anspruchs erfolgt direkt bei Antragstellung anhand der beigelegten Dokumente durch den Antragsteller. Sollte die Entscheidung positiv sein, weiß der Antragsteller allerdings noch nicht, wie lange er oder sie das Geld ausgezahlt bekommt.

Die Auszahlungdauer und die Arbeitslosenquote

Wenn sich der Arbeitslose in einem Bezirk gemeldet hat, dessen Arbeitslosenquote am 30. Juni des Jahres vor dem Zeitpunkt des Leistungsanspruchs nicht mehr als 150 % der durchschnittlichen Arbeitslosenquote des Landes betrug, wird die Leistung 180 Tage lang gezahlt. Hat sich ein Arbeitsloser in einem Bezirk gemeldet, dessen Arbeitslosenquote am 30. Juni des Jahres vor dem Zeitpunkt des Leistungsanspruchs 150 % der durchschnittlichen Arbeitslosenquote des Landes überstieg, zahlt das Arbeitsamt die Leistung für 365 Tage.

Ein jährliches Arbeitslosengeld wird auch Personen gewährt, die über 50 Jahre alt sind und gleichzeitig mindestens 20 Jahre Leistungsansprüche nachweisen können.

Das Arbeitsförderungsgesetz sieht darüber hinaus längere Leistungen für Alleinstehende vor, die mindestens ein Kind bis zum Alter von 15 Jahren erziehen. Wenn ein Meldepflichtiger mindestens ein unterhaltsberechtigtes Kind bis zum Alter von 15 Jahren hat, aber nicht alleinerziehend ist, hat er oder sie ebenfalls die Möglichkeit, die jährliche Leistung zu erhalten, wobei jedoch eine zusätzliche Bedingung erfüllt sein muss. Der Ehegatte des Meldepflichtigen muss ebenfalls ein Arbeitsloser sein, der seinen Leistungsanspruch durch das Erlöschen seines Leistungsanspruchs nach dem Zeitpunkt des Leistungsanspruchs des Meldepflichtigen verliert.

Entbindet eine anspruchsberechtigte Frau während des Zeitraums, in dem sie Anspruch auf die Zulage hat, oder in einem Monat nach dessen Beendigung, so verlängert sich dieser Zeitraum um den Zeitraum, für den sie nach gesonderten Bestimmungen Anspruch auf Mutterschaftsgeld hätte.

Wie hoch ist der Anspruch?

Die Grundleistung beträgt derzeit 1240,80 PLN in den ersten drei Monaten und fällt anschließend für die folgenden 9 Monate auf 974,40 PLN. Beim aktuellen Währungskurs sind das satte 263 bzw. 207 EUR. 

Die Höhe des Arbeitslosengeldes hängt von der Dauer der Beschäftigung des Arbeitslosen ab. Bei einer Dienstzeit von bis zu 5 Jahren wird die Leistung zu 80 % der Grundleistung gezahlt. Beträgt die Betriebszugehörigkeit zwischen 5 und 20 Jahren, so kann der Arbeitslose mit einer Leistung von 100 % der Grundleistung rechnen. Die höchste Leistung wird jedoch an Personen gezahlt, die mindestens 20 Jahre lang gearbeitet haben. In diesem Fall liegt der Auszahlungshöhe bei bis zu 120 %.

Von der Grundleistung ausgehend sind es in den ersten drei Monaten zwischen 992,70 PLN (80%) und 1489 PLN (120%). Für den folgenden Zeitraum sind es entsprechend zwischen 779,60 PLN (80%) und 1169,30 PLN (120%)

Weitere Hilfeleistungen

Ja, es gibt sie! Auf dem Papier sieht alles gar nicht so schlecht aus. Hat man jedoch erst die Anträge gestellt und fließen die ersten Gelder, fühlt man sich niedergeschlagen. Wohnungsgeld, Kindergeld oder ähnliche Leistungen reichen oft nur für die notwendigsten Aufwendungen. Es gibt in Polen keine Definition eines sozialen Minimums. Wenn es nicht reicht, dann reicht es nicht. Stützen muss man sich vor allem auf die Familie und Freunde. Wenn schon der Staat das Existenzminimum nicht gewährleisten kann, dann sollte man zumnindest sozial integriert sein.

Der zweite ist der erste Verlierer

Meine Auflistung ist natürlich nicht abschließen. Ich wollte hier nur ein allgemeines Bild präsentieren, womit Arbeitslose in Polen rechnen können, also mit sehr wenig. Es gibt darüber hinaus unzählige Zusatzbestimmungen, Voraussetzungen und Ausnahmen, die hier nicht relevant sind. Grundsätzlich herrscht in Polen das Gefühl, dass man auf sich alleine gestellt ist. Das ist vor allem für diejenigen relevant, die darüber nachdenken nach Polen auszuwandern. Entscheidend ist, dass man sich bewusst wird, dass man von einem Sozialstaat in eine absolut freie Marktwirtschaft übergeht. Die sozialen Sicherheiten stehen der marktwirtschaftlichen Freiheit entgegen. So war es von Politikern in Polen Anfang der 90er Jahre gewollt. Dabei waren sie damals amerikanischer (britischer) als die Amerikaner und Briten selbst. Bewerten will ich diese zwei Anschauungen nun nicht.  Man sollte sich nur vergewissern was es heißt in einem Land zu leben, wo der zweite der erste Verlierer ist.

Ich war bei meinem Umzug nach Polen auf das Schlimmste vorbereitet, aber auch motiviert und fixiert ein Unternehmen zu gründen, um mich im Luxus der marktwirtschaftlichen Freiheit zu entfalten. Wenn man 25 Jahre alt ist, achtet man nicht darauf, ob die Krankenhäuser funktionsfähig sind, wie viel Geld man vom Staat bekommt, wenn man die Stelle verliert oder ob der Staat Mietpreisgrenzen festgelegt hatte, damit man sich bei einem schlecht bezahlten Job ein Dach über dem Kopf leisten kann. Was für mich damals zählte waren niedrige Steuern, unternehmerische Freiheiten und ein Minimum an Bürokratie. Ihr solltet Euch also im Klaren sein, dass Euch in Polen niemand mit offenen Armen empfangen wird. Vielmehr erwartet man von allen Neuankömmlingen sich gefälligst um sich selbst zu kümmern.

Antoni Administrator
Europäer mit polnischem Herz und deutschem Hirn! Eigentümer des Touristikunternehmens Walking Poland Group, lizenzierter Stadtführer in Warschau, Fotograf, Jurist (1. Staatsexamen), Redakteur
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Antoni Administrator
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