Der Weichselboulevard wird seit 2015 Kilometer um Kilometer revitalisiert und erfreut sich seitdem einer vorher in dieser Form nie erlebten Beliebtheit. Mittlerweile wird die kilometerlange Uferpromenade von jedem Reiseführer als Freizeit-, Sport- und Erholungsort empfohlen. Auf meiner Touristenseite stadtfuehrer-warschau.com ist der Weichselboulevard sogar auf Platz 6 der Top-10-Sehenswürdigkeiten der Stadt. Was sich verändert hat und warum die Neubelebung erst so spät in die Wege geleitet wurde, erfahren Sie in diesem Beitrag. Eines kann ich Ihnen jedoch jetzt schon sagen: Sollten Sie im Sommer in Warschau sein, ist ein Besuch des Boulevards ein Muss!
Die Weichsel, Königin der polnischen Flüsse
Die Weichsel hat auf dem Verwaltungsgebiet der Stadt Warschau eine Uferlänge von 28 Kilometern. Die Gesamtlänge der Weichsel (poln. Wisla) beträgt 1047 Kilometer. In Warschau beginnt ihr 498. Kilometer. Die Quelle entspringt in den Schlesischen Beskiden am 1214 Meter Widderberg (Barania Gora). Die sanften Bäche Czarnka Wiselka und Biala Wiselka vereinen sich und formen den starken Wasserstrom der Weichsel. Sie fließt durch Krakau, Bydgoszcz, Thorn, Danzig und selbstverständlich Warschau. Im Mittelaltert bis zur Neuzeit war sie das Grundgerüst der Wirtschaft der Königlichen Adelsrepublik Polen-Litauen (I Rzeczpospolita / 1384-1795) und war das Bindeglied zwischen den Kresy im Tiefland des Ostens und dem Kernland des Königreiches. Daher sollte nicht verwundern, dass die Weichsel den stolzen Namen der Königin der Polnischen Flüsse trägt.

Auch Warschau kann man sich ohne der Königlichen Weichsel kaum vorstellen. Der Fluss hat die Entwicklung der Stadt maßgeblich beeinflusst und bietet heute zahlreiche Attraktionen für Touristen und Einwohner. Die mehrere Kilometer lange Uferpromenade eignet sich hervorragend für einen Spaziergang, eine Fahrradtour oder eine ausgelassene Party in einem der Clubs, die hier saisonal betrieben werden, selbstverständlich nur während der Sommersaison. Am Boulevard erwarten Sie Pavillons mit Liegestühlen, Steinbänke und Sitzgelegenheiten aus Ästen. Außerdem gibt es einen Aussichtspunkt und einen Mini-Strand mit Weidenkörben. Auch das Symbol des Flusses und Warschaus – die Meerjungfrau – darf an einem solchen Ort nicht fehlen. Die Warschauer Syrenka befindet sich am Hot-Spot des Weichselboulevards, an der Metro-Station „Centrum Nauki Kopernik“. Es gibt natürlich auch Schiffstouren. Sie haben die Wahl zwischen komfortablen Schiffen, Motorbooten, einem historischen Schiff aus dem Jahr 1892, Fähren oder Kanus.
In unmittelbarer Nähe der Boulevards befinden sich das Kopernikus-Wissenschaftszentrum, das Museum für moderne Kunst oder der multimediale Springbrunnenpark.
Eine stürmische Geschichte
Die Uferpromenade hat eine sehr lange, allerdings stürmische Geschichte. Angefangen im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts hatten die Stadtarchitekten das Flussufer befestigen lassen, um die regelmäßigen Überflutungen zu stoppen. Unterbrochen wurden die Bauprojekte durch die Aufstände im November 1830 und Januar 1863. Es dauerte bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, dass zwischen den heutigen Brücken Slasko-Dabrowski in der Altstadt und Lazienkowski (in der Nähe ist das Legia-Stadion) eine Flussregelung entstand, die es erlaubte die Gehwege von den Automobilstraßen zu trennen und Schiffe anlegen zu lassen. In der Zwischenkriegszeit entstanden weitere Abschnitte einer steinernen Promenade entlang des westlichen Ufers. Nahezu der gesamte Abschnitt wurde jedoch während des 2. Weltkrieges zerstört.
Erst in den 70er Jahren des vorherigen Jahrhunderts wurden die Arbeiten erneut aufgenommen. Doch diese Arbeiten hinterließen keinen Boulevard, der sich großer Beliebtheit erfreute. Nicht nur war der Zugang durch eine breite Verbindungsstraße erschwert, es war zusätzlich sehr laut. Das Schwergewicht an der Weichsel verlegte sich auf das östliche wilde Ufer.
Was im 19. Jahrhundert begonnen wurde, fand sein Finale 200 Jahre später. Eine Uferpromenade, wie man sie in großen Städten kennt, die an Flüßen errichtet wurden. Wenn nun nicht ein Aufstand, Krieg oder eine Pandemie dazwischenkommt, dann dürfen wir bald mit großer Freude verkünden, dass Warschau eine der längsten und schönsten Uferpromenaden der Welt hat. Dafür hat sich dann auch das lange Warten gelohnt.

Der Weichselboulevard in Abschnitten
Die Promenade zieht sich entlang des linken Ufers auf einer Länge von über 5 Kilometern. Die zusammenhängende Promenade lässt sich grob in drei Abschnitte aufteilen. Sie wurden nach berühmten Persönlichkeiten benannt, was nur eine für Sie eher irrelevante Information ist. Entscheidend ist, dass jeder Abschnitt einen eigenen Charakter hat, der eine individuelle Atmosphäre nach sich zieht. Von Norden nach Süden stelle ich die Hauptakteure vor;
Altstadtbereich
Die Promenade im Altstadtbereich erstreckt sich zwischen den Brücken Gdanski und Slasko-Dabrowski und ist ca. 1,5 km lang. Er wurde 2015 nach mehreren Jahren der Renovierungsarbeiten wiedereröffnet. Auf diesem Abschnitt gibt es ein Festland-Café sowie drei Boote mit Gaststättenfunktion. Die Atmosphäre hier ist meistens sehr ruhig und lädt zu einem ruhigen und entspannten Spaziergang ein. Es gibt einen Übergang auf der Höhe der Königlichen Gärten des Königsschlosses, einen weiteren auf der Höhe des multimedialen Springbrunnenparks, wo in der Sommersaison Wasser-Laser-Spiele präsentiert werden, auf der Höhe der Straße Bolesc und einen dritten auf der Höhe der Straße Sanguszki.
Der Abschnitt wurde nach Jan Karski, dem polnischen James Bond, benannt.

Der Hot-Spot
Der lebendigste und zumeist besuchte Abschnitt startet an der Swietokrzyska-Brücke und endet an der Poniatowski-Brücke. Er ist ca. 1,6 Kilomter lang.
Zu dem Beginn dieses Sektors kommt man mit der Metro am einfachsten hin. Sie nehmen dafür die Linie M2 und steigen an der Station „Metro Centrum Kopernika“ aus. Wenn Sie die Warschauer Syrenka sehen, dann sind Sie genau richtig.
An heißen Sommertagen und wenn die Temperaturen am Abend es erlauben sammeln sich hier die Warschauer, um die schönen Ausblicke zu genießen. Natürlich trinkt man dabei auch etwas – interessant ist, dass Wodka nicht nur nicht an der Weichsel, sondern auch allgemein in Warschau mittlerweile nicht mehr das Hauptgetränk ist.
Sucht Euch ein nettes Plätzchen – entweder auf den alten riesigen Betontreppen oder in einer der zahlreichen Bars. Bei einer Limonade, einem kalten Bier oder Wein kann man die umliegenden beleuchteten Brücken und das Nationalstadion bewundern.
Der Hafenabschnitt
Am südlichsten Punkt gibt es den Czerniakow-Hafen, wo man unter anderem einen Kajak ausleihen kann. Dort steht auch das Lokal „Cud Nad Wisla“ – auf Deutsch „Wunder an der Weichsel“. Die Bar hat auch hier einen kleinen Strandabschnitt. Es lohnt sich allemal vorbeizukommen.

Eine Brücke, nur für Fußgänger und Fahrradfahrer
Im März 2022 startete der Bau einer Brücke nur für Fußgänger und Fahrradfahrer. Sie wird ca. 400 Meter lang sein. Auf der rechten Flussseite entsteht ein Pier mit Anlegestellen für Boote. Diese Verbindung wird ein entscheidender Motor für die Entwicklung des Neuen Warschauer Zentrums, eines der größten Modernisierungsprojekte der letzten Jahre. Es wird möglich sein ohne unnötige Höhen zu erklimmen die andere Seite zu erreichen. Auf der rechten Seite wird man gemütlich die Innenstadt von Praga zu erreichen. Auf der linken Seite entsteht eine direkte Verbindung mit dem Warschauer Königsweg und dem Stadtteil Powisle.
Das Bauende ist für das Jahr 2023 geplant.
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