Plötzlich waren Sie nicht da
Anfangs ist mir das gar nicht aufgefallen. Ich war neu in der Stadt und mein Bekanntenkreis bestand meistens aus Gleichgesinnten. Ausserdem hat ja jeder seine Lieblingsplätze, an denen er sich aufhält. Vielleicht hat die Generation 65+ schlicht und einfach andere Treffpunkte als meine?
Mit der Zeit entdeckte ich immer mehr von Warschau. Restaurants, Museen, kultige Ecken für chillige Abende an der Weichsel oder die großen Einkaufszentren, von denen es hier unglaublich viele gibt. Und wieder – keine Angehörigen unserer Vorgängergeneration.
Das erste Mal, dass in meiner Anwesenheit die Frage laut gestellt wurde, stammte von einem deutschen Touristen. Nachdem ich mit der Gruppe schon fast 3 Stunden unterwegs war und wir den Lazienki-Park, den Kulturpalast und die Altstadt mit der Krakowskie-Przedmiescie-Straße besichtigt hatten, wollte es jemand endlich wissen.
Wo sind Eure Omas und Opas?
Warschau gehört zu den jüngsten Städten in Polen. Wer in diesem Lande etwas aus sich machen will, kommt in die polnische Hauptstadt. Der Zustrom junger motivierter Arbeiterist enorm und man spürt von Jahr zu Jahr wie der Druck von Außen wächst.
Eine Person im hohen Alter wechselt sehr ungern den Lebensmittelpunkt. Warschau ist zudem sehr laut und weitläufig. Das Leben strengt die älteren Personen eher an als dass sie sich ausruhen können. Was hat man davon, wenn man im Park spazieren gehen kann, wenn der Weg dorthin durch das Großstadtchaos doppelt anstrengt.
Aber es leben dennoch Menschen hier, die 65 und älter sind.
Warschau ist nicht für die Alten
Ich habe nur eine einzige Erklärung für diese Eigenart – das Geld. Die Generation 65+ kann sich das Leben auf der Straße schlicht nicht leisten. Diese Menschen haben oftmals 300, einige wenige vielleicht 400 Euro Rente. Ein Kaffee für 2,5 Euro ist bei solchen Einkommen teuer. Ein Mittag- oder Abendessen für 15 Euro ist weit entfernt vom Möglichen.
Der Ort, wo unsere Omas und Opas ihre Freizeit verbringen, ist geprägt von Trivialität und Sparsamkeit. Auf Basaren können sie herumspazieren und sich gelegentlich etwas leisten. Für mich persönlich ist es ein trauriger Gedanke und ich kann nur froh sein, dass ich weder eine Oma noch Opa habe, die in solchen Umständen leben müssen.

Die Stadt wird langsam wach und bemerkt unseren älteren Nachbarn. Bisher, seit dem großen Boom, der 2004 angefangen hat, hat man sich nur auf die kaufkräftigsten Bewohner konzentriert. Alle Investitionen wurden natürlich mit dem Hintergedanken getätigt, dass das investierte Geld irgendwann wieder mit doppeltem Gewinn zurückfließt. Nun hat die Stadt langsam ein schlechtes Gewissen und merkt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Es reicht nicht nur zu Jahrestagen des Warschauer Aufstandes oder des 2. Weltkrieges die uniformierten Veteranen zu ehren, um sie anschließend in ihre kleinen Wohnungen im Plattenbau zurückzuschicken.
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