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Warschau das neue London?

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Ende einer Ära

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war Großbritannien in nahezu allen Bereichen weltweit führend. Nach dem 1. Weltkrieg begann der langsame Zusammenbruch eines Weltreiches, welches 1/5 der Erde in sich einschloß. Dann folgte der 2. Weltkrieg – Großbritannien musste seine Herrschaft über die Meere und die Spitzenposition als führende politische Macht an die USA abgeben, um den Zerstörungskrieg gegen das Deutsche Reich nicht zu verlieren und endgültig von der Weltkarte zu verschwinden.

Es scheint als würde der Niedergang noch nicht beendet. Immerhin konnte London seinen Platz als Welt-Finanzhauptstadt im 20. Jahrhundert bewahren. In Zukunft könnte das Jahr 2016 in Geschichtsbüchern jedoch als das Ende der Londoner City bezeichnet werden.

Der Think Tank Bruegel hat errechnet, dass im Londoner Finanzsektor sogar 30.000 Arbeitsplätze gefährdet sind – 10.000 im Bankensektor und 20.000 in der Buchhaltung und Rechtsberatung. Der Grund ist klar – verlässt Großbritannien die EU, werden einige Geschäftskunden ihre Interessen im Wert von 1,8 Billionen Euro  auf den europäischen Kontinent verlagern. Die Experten sprechen in ihrer Analyse jedoch stets von einer nur teilweisen Migration der Finanzwelt (Quelle: bruegel.org – Analyse (Englisch).

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Warsaw City by night von Kamil Porembiński / CC BY-SA 2.0

Londons Erbe

Dann stellt sich natürlich die Frage, wer denn dann das Erbe übernehmen könnte? Die Financial Times berichtete vom Besuch des polnischen stellvertretenden Premierministers Mateusz Morawiecki am 01.09.2016 in der Londoner City, um mit einigen Großbanken über deren eventuelle Umzüge auf den europäischen Kontinent zu beraten. Viele Firmen seien zudem selber auf die polnische Regierung zugekommen und planen schon konkrete Verhandlungen (Quelle: Financial Times / englisch)
Herr Morawiecki bringt als ehemaliger Santander-Banker sicherlich das entsprechende Know-How mit.

Tadeusz Kościnński, Unterstaatssekretär im polnischen Entwicklungsministerium sieht Polens und vor allem Warschaus Chance darin die Finanzunternehmen anzuziehen. Bisher fiel deren Wahl auf Großbritannien aufgrund der Steuervorteile. Diese würden jedoch nicht mehr ausreichen, wenn die Verbindung zum europäischen Kontinent unterbrochen wird. Polen hat zudem eine mittlerweile gut ausgebildete Herrschar von Finanzberatern und Bankern, sodass dieses Land ideal als Nachfolger und Ersatz in Erscheinung treten könnte (Quelle: propertynews.pl / Rekord za rekordem i … kolejny rekord / polnisch)

Warschaus Zukunft

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Varso Tower in Warschau. Das höchste Gebäude der EU (im Bau) / Pressefoto

Warschau ist neben Frankfurt/Main und London die einzige Stadt mit einem Anteil von mehr als 90% im Dienstleistungssektor. Doch auch andere Eigenschaften platzieren die Stadt weit oben, sofern es darum geht, wer London ersetzen soll. Die New York Times berichtete Ende Juni 2016 über potentielle Nachfolger und die damit zusammenhängenden Voraussetzungen. Die wichtigsten davon waren die Englischkenntnisse der Angestellten, gutes arbeitsrechtliches Klima, hervorragende Verkehrskommunikation, hochqualitative Büroräume und luxuriöse Wohnmöglichkeiten, gute Schulen, Restaurants und Kulturangebote. In der dort aufgestellten Top-9-Liste Liste platzierte sich Warschau auf Platz 7 (Quelle: NewYorkTimes / After ´Brexit´, Finding a New London for the Financial World to Call Home 30.06.2016 / englisch)

Die polnische Hauptstadt eignet sich als Erbe des londoner Finanzsektors – zumindest eines Teiles davon. Denn man kann nicht davon ausgehen, dass die wirklich Großen sich hier niederlassen.

Wenn Touristen nach Warschau reisen, sind sie oftmals sehr erstaunt über die Anzahl der Wolkenkratzer, die das Stadtzentrum mittlerweile markant prägen. Und das ist ja erst der Anfang. Im Januar 2017 waren 60 Bürogebäude mit einer Gesamtfläche von 800.000 m² im Bau. Im Herbst 2016 hat die polnische Hauptstadt die 5-Millionen-Grenze überschritten. Im Vergleich zu anderen europäischen Städten liegt die polnische Hauptstadt noch relativ weit zurück, doch ist das Wachstum sehr stark.
Zudem wird in Warschau mit 310 Metern Höhe das höchste Gebäude der Europäischen Union gebaut. Das vor dem Brexit höchste Gebäude der EU stand in der Londoner City und war 309.6 Meter hoch. Vielleicht kann das als positives Zeichen gewertet werden. Sicher ist jedoch eines – Warschau hat das Potenzial und die entsprechende Infrastruktur.

Dennoch – es bleibt noch viel zu tun. In der Statistik der New York Times wurde jedoch bemängelt, dass sich Warschau im Mercer´s quality of life index und im Bezug auf die luxuriösen Wohnmöglichkeiten weit hinten befindet.

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Antoni Administrator
Europäer mit polnischem Herz und deutschem Hirn! Eigentümer des Touristikunternehmens Walking Poland Group, lizenzierter Stadtführer in Warschau, Fotograf, Jurist (1. Staatsexamen), Redakteur
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