Vidkun Quisling

Sein voller Name lautete Vidkun Abraham Lauritz Jonsson Quisling. Er war Politiker und norwegischer Offizier. Als Hitler 1933 an die Macht kam, wurde Viskun Quisling Parteiführer der faschistischen Nasjonal Samling (Nationale Einheit). Von 1931 bis 1933 war er Verteidigungsminister und vom 01. Februar 1942 bis zum 09. Mai 1945 Ministerpräsident von Norwegen. Da diese Regierung unter der Ägide des Dritten Reiches stand und dieses Vorgehen so explizit von Quisling gewollt und geplant war, steht sein Name heute nicht ohne Grund in manchen Sprachen als Synonym für Kollaboration und Verrat.
Am 09. Mai 1945 wurde er festgenommen und am 24. Oktober 1945 in der Festung Akershus hingerichtet. Anklagepunkt: Hochverrat.
Ob die Norweger diese Etappe ihrer Geschichte verarbeitet haben oder ob sie das als kleine Abweichung in ihrer Politik ansehen, kann ich Ihnen nicht sagen. Aber vielleicht führt jemand in Oslo einen Stadtblog auf Deutsch und stellt sich dieser Frage.
Polen – eine besondere Nation von Gott auserwählt?
Die polnische Geschichtsschreibung ist ihrem Dogma grundsätzlich treu geblieben und verleiht Polen im besetzten Europa während des 2. Weltkrieges einen besonderen Preis: Das einzige Land, welches keinen Quisling hervorbrachte. Von 1933 bis 1945 hat kein polnischer Politiker und keine politische Partei mit der Ausgeburt des Bösen (lies NSDAP) zusammengearbeitet. Aber was heißt das schon eigentlich! Jan Karski (auch als polnischer James Bond bezeichnet) sagte einst, dass „es die Welt gar nicht interessierte, dass wir keinen Quisling hatten.“ Er war Staatsdiener und bewertete das politische Handeln seiner Vorgesetzten eher negativ. Eine etwas andere Meinung darüber hat ein Warschauer Arbeiter Kazimierz Szymczak, der in seinem Tagebuch folgendes festhielt: „Ich bin stolz darauf dieser Nation, in welcher es keinen Kollektivverrat, sondern nur Massengräber gab, anzugehören“. Das muss erstmal verdaut werden, nicht wahr?
Wenn man jetzt die Emotionen beiseite lässt und sich das genauer anschaut, dann ergeben sich interessante Schlußfolgerungen. Es wäre nämlich wirklich eigenartig, wenn von 36 Millionen Polen (1939) tatsächlich niemand auch nur daran gedacht hatte, Polen politisch näher an das Deutsche Reich rücken zu lassen (mit welchem Ziel auch immer).
Zwei Arten von Kollaboration
Bevor Sie weiterlesen, möchte ich noch eines klarstellen. Nicht jede Kollaboration ist gleich. Man kann hierbei zwei Arten unterscheiden.
Ideologische Kollaboration…
liegt vor, wenn faschistische Gruppen sich ideologisch an den deutschen Nationalsozialismus gebunden fühlen. Beide haben unter anderem den Judenhass gemein.
Pragmatische Kollaboration…
haben sich hauptsächlich konvervative Gruppen zu Eigen gemacht, um die Qualen der eigenen Landsleute zu mindern. Diese Menschen wollten als Pufferzone dienen und den Schlag gegen das eigene Volk abfedern. Die Einstellung zum Nationalsozialismus war negativ und sie waren mit der Denkweise und der Methode Adolf Hitlers in keiner Weise einverstanden. Es spielte also nicht eine emotionale Bindung an das Hakenkreuz, sondern schlicht gesunder Menschenverstand die entscheidende Rolle.
Unerhörtes aus Frankreich
2003 wurde in sogenannten „Geschichtsheften“ ein Artikel mit dem Titel „Ungewollte Kollaboration. Polnische Politiker und Nazi-Deutschland im Juli 1940“ veröffentlicht. Darin hat Bernard Wiaderny beschrieben, wie eine Gruppe polnischer Politiker versucht hat eine politische Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich inmitten des Wirrwarrs zahlreicher Kriegshandlungen ins Leben zu rufen. Sie können sich gar nicht vorstellen, was in Polen nach der Veröffentlichung des Artikels los war. Verwunderlich war es nicht – denn immerhin wurde das grösste polnische Heiligtum der Polen beschmiert – das Weisse Blatt der polnischen Geschichte. Sie wissen es nun auch – wir sind von Gott gesalbt worden. Ingeriert haben sogar Familienangehörige der betroffenen Hauptakteure. Sie wiesen die Beschuldigungen evident zurück und erklärten, dass ihre Vorfahren mit solchen Abscheulichkeiten nichts zu tun hätten. Worum ging es in dem Artikel?
Das Lissabon-Memorandun

Folgende kleine Geschichte wurde dort beschrieben. Wichtigstes Glied in diesem Beispiel ist Jan Kowalewski, der schon im Herbst 1939 Kontakt aufnahm mit dem deutschen Botschafter in Bukarest Wilhelm Fabricius.
Jan Kowalewski war Podpulkownik (entspricht dem deutschen Oberstleutnant) und Chef der II. Abteilung des polnischen Geheimdienstes in Lissabon.
Am 24. Juli 1940 verfasste er zusammen mit weiteren Anhängern ein Memorandum und schickte es nach Berlin. Der Text war auf Französisch. Der Zeitpunkt war bewusst gewählt worden, denn Frankreich hat den Krieg verloren und somit schied der mächtigste Verbündete Polens aus dem Kriegsgeschehen aus. Das Aufrechtserhalten des Kriegszustandes mit dem Deutschen Reich wäre schlicht zu verlustreich.
In dem Memorandum wurde festgehalten, dass nach der Niederlage Frankreichs ein „Wiederaufbau Europas“ erfolgen muss. Natürlich musste in dem neuen Europa auch Platz für Polen sein. Warum sollte das Deutsche Reich darauf eingehen? Die Verfasser argumentierten, dass wenn das Generalgouvernement aufrechterhalten werden würde, sich der Bolschewismus ausbreiten würde und den Nazis erheblichen Schaden zufügen könnte. Man wollte die Nazis mit deiesem Bolschewismus-Argument überzeugen. Die verlorenen Gebiete im Westen sollten im Osten auf Kosten der Sowjetunion wieder gut gemacht werden.
Mittler in dieser Sache waren die Italiener. Das Dokument wurde dem Außenministerium in Berlin übergeben. Erstaunlicherweise und unerwartet für die Polen war, dass die Nazis nicht darauf eingegangen sind. Jetzt, wo sie im Prinzip Herren über „ganz“ Europa waren, war sogar das Bolschewismus-Argument wirkungslos.

Kowalewski soll sich sogar mit dem Leiter der Abwehr Wilhelm Canaris in Lissabon getroffen haben. Canaris wusste, dass das Deutsche Reich von Adolf Hitler in den Abgrund gerissen wird und Kowalewski wusste, dass das Ende des Deutschen Reiches auch das Ende Polens bedeuten würde. Doch Hitler war mittlerweile vom Hass gegen die Polen und Juden so verblendet, dass er in keiner Weiser überzeugt werden konnte. Das Ende des Deutsches Reiches kam alsbald und somit auch das Ende Polens.
Jan Szembek, Stellvertreter des polnischen Außenministers bis 1939 Jozef Beck, hat bei einem Gespräch in Lissabon mit dem italienischen Abgeordneten Renato Bova Scoppa offen zugegeben, dass es bei dieser ganzen Sache nicht um eine gewollte Zusammenarbeit mit den Nazis geht, sondern um die Beendigung der Antipolnischen Politik und die Ermordung der Vertreter der polnischen Elite. Es solle also ein Art modus vivendi hergestellt werden, um so das biologische Überleben des polnischen Volkes zu gewährleisten.

In Teheran verlangte Stalin von Chruchill, dass Kowalewski entfernt werde. Die Russen waren sich der Gefahr eines deutsch-polnischen Zusammenschlußes bewußt. Außerdem hat Kowalewski im polnisch-russischen Krieg von 1920 die russichen Geheimcodes entziffert und so zum Sieg Polens beigetragen. Jetzt hatte man die Gelegenheit zur Rache.
Die polnische Exilregierung folgte der britischen Forderung und so wurde Kowalewski „kaltgestellt“. Er hatte keinen Einfluß mehr auf den weiteren Verlauf in der Weltpolitik.
Schlußwort

Sie sehen selbst – einen polnischen Quisling gab es nicht. Aber es gab in Polen Menschen, die den Mut hatten die Verantwortung auf sich zu nehmen. Sie wollten unbedingt vermeiden, dass das polnische Volk dezimiert wird und sich lieber vorbereitet auf den Gegenschlag gegen den Agressor.
Anders hingegen sieht es mit den heute verehrten Politikern und Militärs aus, die von 3 Handlungsmöglichkeiten die mit Abstand schlechteste gewählt haben – Flucht und Aufforderung zur Gegenwehr. Sie hätten entweder die Kapitulation unterschreiben sollen oder bis zum Tod weiterkämpfen müssen.
Das wichtigste Argument dabei: Die Verluste Frankreich an der Bevölkerung lag bei 1,35 Prozent. Die Polen haben über 6 Millionen Menschenleben verloren – von 36 Millionen sind dies über 15 Prozent.
Quelle
Polnischer Titel | Opcja Niemiecka – Czyli jak polscy antykomuniści próbowali porozumieć się z III Rzeszą |
Deutscher Titel | Die deutsche Option – wie polnische Anti-Kommunisten versucht haben sich mit dem Deutschen Reich zu verständigen |
Autor | Piotr Zychowicz |
ISBN | 978-83-7818-620-5 |
Sprachen | nur auf Polnisch |
Es gehört schon eine gewisse Boshaftigkeit dazu, Kowalewski und Szembek als Verräter darzustellen. Auch wenn das dann am Ende des Artikels negiert wird so trägt die reißerische Überschrift doch sehr viel zur falschen Meinungsbildung bei. Honi soit qui mal y pense.