Wirtschaft

Der Durchschnittslohn in Polen. Eine skurrile Berechnungsmethode

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Die skurrile Berechnungsmethode

Viele Menschen sind der festen Überzeugung, dass der Durchschnittslohn nicht in der Lage ist, die finanzielle Lage der Arbeitnehmer auf realistische Weise abzubilden. Dabei ist es unerheblich, ob es um deutsche oder polnische Arbeitskräfte geht. Die Berechnung umfasst sowohl die Bestverdiener als auch diejenigen mit den niedrigsten Löhnen. Um den Wert zu ermitteln, werden sämtliche Gehälter zusammengezählt und durch die Anzahl der Beschäftigten geteilt. Soweit, so verständlich! In Polen allerdings gibt es eine Vielzahl von Ausnahmen.

Wie hoch ist also das durchschnittliche Gehalt?

Das Hauptstatistikamt (GUS – Glowny Urzad Statystyczny) ist für die monatliche Veröffentlichung des Durchschnittslohnes in Polen zuständig. Und hier wird es kurios. In die Berechnungen fließen nur Unternehmen ein, die mindestens 9 Personen beschäftigen. Kleinstunternehmer, die auf Basis von B2B-Verträgen, Werkverträgen und Dienstleistungsverträgen tätig sind, sowie Angestellte im öffentlichen Dienst werden beispielsweise ausgeschlossen. Allein bei den Kleinstunternehmern handelt es sich in Polen um über 4 Millionen Personen. Diese Zahlen sind jedoch nicht absolut sicher, da Personen, die ein Unternehmen leiten, gleichzeitig auch in einem Konzern angestellt sein können.

Erst dann erhalten wir den statistischen Durchschnittslohn in Polen, der derzeit (August 2023) bei 7485,12 PLN liegt. Das entspricht bei einem Wechselkurs von 4,5 PLN/EUR etwa 1660 EUR.

Außerhalb von Polen jemanden zu finden, der dieses Gehalt verdient, könnte eine Weile dauern. Im Großen und Ganzen verdienen 70 Prozent der Bevölkerung weniger als den Durchschnitt. Die Entwicklung ist jedoch beeindruckend. Im Jahr 2010 lag das Durchschnittsgehalt bei 3224 PLN.

Der Median

Ein weiteres Maß für Gehälter ist der sogenannte Median. In der Statistik ist er der Wert, der in einer bestimmten Gruppe von Zahlen in der Mitte liegt – das heißt, es gibt genauso viele Zahlen über ihm wie unter ihm. Einige sind der Ansicht, dass der Median der Gehälter das Wohlstandsniveau in einer Gesellschaft besser widerspiegelt. Der Median liegt derzeit bei ca. 5000 PLN, also deutlich niedriger als der Durchschnittslohn.

Mindestlohn in Polen

Die wahrhafte Wohlstand einer Gesellschaft zeigt sich oft am besten, wenn man die Situation der Ärmsten betrachtet. Millionäre und Privilegierte ähneln sich weltweit. Es ist also aufschlussreich, einen Blick auf den Mindestlohn zu werfen. Mitte September 2023 hat die polnische Regierung beschlossen, diesen ab Januar 2024 auf 4242 PLN brutto anzuheben. Ab Juli 2024 wird er 4300 PLN betragen. Der Mindeststundenlohn liegt dann bei 27,7 PLN und entsprechend 28,1 PLN. Dies bedeutet eine Steigerung um 642 PLN im Vergleich zu Juli 2023. Im Jahr 2018 lag der Mindestlohn bei 2100 PLN. Innerhalb von 6 Jahren ist er um 100 Prozent gestiegen.

Das setzt auch einen starken Druck auf die übrigen Löhne, die nicht diesen Bestimmungen unterliegen. Auch die Löhne der Angestellten werden steigen.

An dieser Stelle möchte ich die Löhne den Lebenshaltungskosten gegenüberstellen, worüber ich in anderen Beiträgen berichtet habe. Auch müssen wir die Kosten für das Leben in polnischen Städten, insbesondere Warschau, im Vergleich zu anderen europäischen Städten betrachten.

Fazit

Das Fazit ist ernüchternd. Im Grunde genommen muss man hier eine ungewöhnlich große Anzahl von Statistiken betrachten, um herauszufinden, wer tatsächlich wie viel verdient. Die Zahlen spiegeln die Realität nicht wider, nicht nur aufgrund der erheblichen Lohnunterschiede, sondern auch aufgrund unzureichender Daten. Wer dies nicht weiß, analysiert munter weiter und zieht folglich falsche Schlüsse, insbesondere ausländische Institutionen und Statistikämter.

Ich versuche stets, die Zahlen und Statistiken in Gesprächen zu korrigieren. Es scheint jedoch immer so, als ob ich das Land entweder wesentlich schlechter oder besser darstellen möchte. Was jedoch auffällt ist, dass Menschen von außerhalb feststellen, dass das Land nicht so aussieht, wie es die Statistik darstellt. Aus meiner Sicht kann man es in einem Satz zusammenfassen: Der Staat hat weniger Geld, als er angibt, und die Menschen haben mehr, als wir glauben.

Antoni Administrator
Europäer mit polnischem Herz und deutschem Hirn! Eigentümer des Touristikunternehmens Walking Poland Group, lizenzierter Stadtführer in Warschau, Fotograf, Jurist (1. Staatsexamen), Redakteur
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Antoni Administrator
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