Beitragsbild (bitte Link kopieren) © jimmyweee [CC BY 2.0]
Einige sind sicherlich erstaunt über diesen Titel, denn so schwierig kann das doch nicht sein, oder? Ab in die Gefriertruhe, warten, rein ins Gläschen (je östlicher, desto größer / in Moskau sind es dann schon Gläser), ansetzen, Augen zu, Kopf nach hinten und im Idealfall mit Wurst, Gurken oder Pilzen nachbessern! Diese Methode kennt man, sie führt jedoch zu unangenehmen Nebenwirkungen, Kopfschmerzen und ist schlecht für die Gesundheit.
Daher habe ich eine kurze Gebrauchsanleitung zusammengestellt, wie Wodka getrunken wird, in technischer wie auch in geistlicher Hinsicht.
Wodka richtig trinken
Wodka ist unter den alkoholischen Getränken ein großes Kaliber und muss auch so behandelt werden. Es ist kein Getränk für „schwache Gemüter“, wenn Sie wissen was ich meine. Es erfordert etwas Vorbereitung und auch eine spezielle Einstellung; man muss mit Leib und Seele dabei sein, am besten mit slawischem Geist angehaucht. Das Lebenswasser hat in den Jahrhunderten der Existenz viele Körper gewärmt, zu vielen verrückten Ideen verleitet, zahlreiche Wunden desinfiziert, das ein oder ander Lagerfeuer entfacht, Hochzeitsfeiern zum toben gebracht, millionenfache Glückwünsche überbracht und der Legende nach sogar Boris Jelzin überzeugt den Abmarsch der Sowjetarmee zu unterschreiben. Leider hat der Wodka ein ziemlich schlechtes Image, welches vor allem aus der Zeit des kalten Krieges stammt. Den Wodka hat man zum Vorsauf-Getränk degradiert.
Die richtige Temperatur

Wodka wird nach dem Kauf von den meisten automatisch in den Gefrierschrank gelegt. Ein 40-prozentiger Wodka friert erst bei -27 Grad ein, heißt aber auch, dass Wodka einfrieren kann. Es ist kein Indiz für „guten“ oder „schlechten“ Wodka, sondern eher für die Gefriermöglichkeiten des Kühlschranks. Doch auch bei höheren Minustemperaturen verändert das undurchsichtige Lebenswasser seine Konsistenz und wird dickfflüssiger. Der Grund, warum Menschen Wodka einfrieren, liegt darin, dass der Wodka immer mehr an Geschmack verliert, je kälter er ist. Und genau diesen Geschmack wollen viele loswerden, weil sie schlichtweg schlechten Wodka gekauft haben. Es gibt nämlich große Unterschiede im Herstellungsprozess. Bei machen Sorten ist Einfrieren die einzige Möglichkeit um ihn trinkbar zu machen. Im kommunistischen Polen standen der Bevölkerung ziemlich schlechte Produkte zur Verfügung und zudem mit einem relativ hohen Anteil an Schwermetallen. Die Riechprobe sprach stets gegen die Sprituose.
Zudem: schlingt man eine Flüssigkeit runter, die gerade aus der Gefriertruhe geholt wurde, ist das gesundheitlich sehr schlecht für Gaumen, Speiseröhre und den Magen.
Aber: es ist nicht so, dass man Wodka grundsätzlich nicht einfrieren darf. Die Kälte hat nämlich auch die positive Eigenschaft, dass sie den scharfen Geschmack etwas mildert. Die Temperaturen sollten hierbei zwischen 0 – 4 Grad Celsius liegen. Auf jeden Fall sollte man den Gefrierpunkt (für Wasser versteht sich) nicht unterschreiten.
Und dennoch: qualitativ hochwertigen Wodka bitte niemals einfrieren, sonst verliert er die Eigenschaften, für welche er erworben wurde. Guter Wodka hat nämlich einen ideal ausgewogenen Geschmack im Verhältnis zum Rohstoff, aus welchem er hergestellt wurde. Und allen voran: er ist frei von Schwermetallen und anderen im Rohstoff steckenden Giften.
Idealerweise trinkt man guten Wodka in Zimmertemperatur. Nur dann – und nur dann – kann man sich am Geschmack und am feinen Aroma erfreuen. Für Kenner sind feine Duftnoten, die Frische oder andere Eigenschaften etwas, was man herausriechen kann, wie man es auch beim Wein oder Whiskey macht. Das war es auch, was mich im Wodka-Museum so fasziniert hatte. Am Ende der Führung wurde eine Wodka-Verkostung gemacht. Der Leiter erzählte uns vorab über die Herkunft, Produktion und den Rohstoff. Nachdem er uns erläuterte, was unsere Nase herausriechen sollte, war ich überrascht, wie sanft die Düfte waren – wenn man sich darauf einlässt. Und schließlich der letzte Akt: wir sollten am Gläschen nippen, das Aroma genießen. Dann reicht die Flasche auch für länger. Und bei so hohem Alkoholgehalt kann die Flasche ziemlich lange stehen bleiben.
Es versteht sich von selbst, dass das Nippen nicht für Parties geeignet ist. Da herrschen dann doch anderen Regeln.
Zagryzka und Kopfschmerzen

Die sogenannten Häppchen für zwischendurch haben in der polnischen Sprache hunderte Bezeichnungen. Zagryzka ist eine davon und stammt von zagryzac, also „dazu essen / (rein)-beißen“. Es können eingelegte Gurken, selbstgemachte Wurst oder eigenhändig im Wald gesammelte und in Essig eingelegte Pilze sein. Aber der Tisch sollte schon etwas aufbieten, sonst muss man auch hier mit gesundheitlichen Schäden rechnen und mit einem schlechten Image in der Dorfgemeinde.
Es hat auch was praktisches: weniger Kopfschmerzen und ein sanfterer Kater. Kopfschmerzen sind immer so eine Sache. Im schlechten Wodka stecken noch relativ viele Schwermetalle, die für den Körper „Fremdkörper“ sind. Diese will er unbedingt loswerden, was die Kopfschmerzen beeinflußt. Je schlechter der Wodka, desto intensiver der Schmerz. Die zagryzka wiederrum fügen dem Körper viel gutes hinzu, die den Rausch hinauszögern, besänftigen und dem Körper Flüssigkeit hinzufügen. Und Wasser trinken nicht vergessen. Nach jedem Gläschen ein halbes Glas Wasser (echtes)!
Żal – die polnische Weltschmerz
Weiter oben beschrieben ist technische Seite des Wodkatrinkens. Es gibt dann noch etwas, das seinen Urpsrung in der slawischen Seele. Der polnische Weltschmerz, den man auf polnisch als żal bezeichnet. Der Pole benötigt alle Zeit wieder eine gesellschaftliche Sitzung mit anderen gleichgesinnten Polen, mit denen er Eins werden und sein Leid und das Leid aller Polen in den letzten 200 Jahren und das Leid aller Unterdrückten auf der Welt in der ganzen Menschheitsgeschichte teilen kann. Anfangs beginnt alles recht harmlos, geht jedoch langsam über in ein ernstes Gespräch. Wenn alles gut Läuft, dann umarmt man sich und tröstet sich gegenseitig; man vereint sich brüderschaftlich, man wird Eins im żal.
Die Polen brauchen sowas von Zeit zu Zeit, es ist ein ständig wiederkehrendes Erscheinungsbild der polnischen Seele, welche ein sehr romantisches Dasein mit sich selbst führt.
Wenn Du, lieber Leser, merkst, dass Dein Trinkpartner auf einmal nostalgisch wird, wenn seine Stimme zittriger und seine Augen glasiger werden und wenn er ein „ski“ im Nachnamen trägt, dann umarme ihn und schließe Dich dem polnischen Weltschmerz an.
na zdrowie 🙂
Kommentare