Kultur

Die unbekannten Nachbarn: Minderheiten in Osteuropa (Leiserowitz)

buchempfehlung

Aufbau und Inhalt des Buches

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Zunächst meldet sich die Herausgeberin Ruth Leiserowitz zu Wort und stellt geschichtlich dar, was man oft nicht mal annähernd weiß. Es gibt sie, die Minderheiten in Ostmitteleuropa. Alles wird unverblümt an den Leser gebracht. Mir persönlich ging diese Einleitung sehr ans Herz, obwohl die geschichtlichen Fakten über die unbekannten Nachbarn nicht viel positives hergeben, sind sie wohl deshalb schon umso wichtiger.

Was folgt sind wundervoll erzählte Geschichten ganzer Familien und einzelner Personen, die einer Minderheit angehören. Seien es Weißrussen in Polen, Polen in Litauen, Sorben in Deutschland oder die Seto in Estland – jede Mnderheit hat ihre eigene Weltanschauung, die hier plastisch dargestellt wird. Besonders ergreifend ist die Erzählung über die Roma in der Slowakei. Schon am Anfang wird gesagt, dass die Kinder bei Minusgraden halbnackt herumlaufen, weil sie nichts zum drüberziehen haben.

Es folgen weitere Lebensgeschichten über Minderheiten in Lettland, Tschechien, Slowenien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien. Im Nachhinein erfährt man mehr über das jeweilige Land und ihre Minderheiten. Alles ist literarisch schön verpackt und lässt sich auch im nachhinein gut nachschlagen.

Warum sollte man dieses Buch lesen?

Immer wieder stelle ich fest, dass die deutsche Lehrkultur in der Nähe der Oder halt macht. Informationen über die Polen, Tschechen oder Slowaken werden in deutschen oder anderen westeuropäischen Ländern nicht sonderlich tiefgreifend behandelt. Dann darf man sich nicht wundern, dass mancher Franzose glaubt, dass Polen eine russische Provinz ist, dass manch Spanier glaubt, dass man über Polen in die Antarktis kommt oder dass manch Deutscher überzeugt ist, dass es in Osteuropa nur homogene Gesellschaften gibt und dass es von Minderheiten keine Spur gibt und auch nie gab. Dabei war Polen in der Zeit 1918 – 1939 eines der Länder mit dem höchsten Ausländeranteil in Europa und vom 15.-17. Jahrhundert das toleranteste politische Gebilde der Welt. Damals wurden die Polen sehr stark für ihre zu liberale Einstellung in religiösen Angelegenheiten kritisiert. Lesen Sie also dieses Buch und Sie werden nicht nur Osteuropa, aber ganz Europa bessser verstehen lernen.

Zusätzlich möchte ich hier die Herausgeberin zitieren :“Der Leser des vor uns liegenden Bandes wird nach der Lektüre mehr Fragen als Antworten haben und er wird beginnen zu begreifen, dass das östliche Europa durch den zweiten Weltkrieg und in dessen Folge weitaus tiefgehender beschädigt und verändert wurde, als gemeinhin angenommen wird. Nach diesem Krieg konnte Ostmitteleuropa zu keiner wie auch immer gearteten oder vorgestellten Normalität zurückkehren, denn der Eiserne Vorhang riss Regionen auseinander, die jahrhundertelange enge Beziehungen gepflegt hatten.“

Dem kann ich nur zustimmen.

Die Minderheiten hatten es nie leicht

In diesem Buch wird anfangs klar gesagt, was man oft nicht wahrhaben will. Zitat:“Die Vielfalt dieser Kulturen, ihre Heterogenität, ihre reiche Differenziertheit  und ihre Verwobenheit bewirkten eine einzigartige Pluralität, die in der Mitte des letzten Jahrhunderts zerstört wurde“. 1945 ging der Weltkrieg für die meisten zu Ende, für einige wenige fing der Kampf ums Überleben jedoch erst an.

Nach kommunistischem Weltbild sollten alle Minderheiten Teil der neuen einheitlichen Gesellschaft werden. Sie wurden nicht als gefährlich eingestuft und man wusste, dass man ihre Andersartigkeit mit Leichtigkeit überwinden werde. Es sollte alles nur eine Frage der Zeit sein. Paradoxerweise war die Zeit der größte Feind dieses irrational destruktiven Systems.

Die Minderheiten hatten einer gründlichen Aufarbeitung ihrer Identität bedurft, doch war Schweigen alles, was ihnen das sowjetisch System bot. So entstand er dann – der oberflächlich nationale Charakter, mit welchem man heute nahezu alle ehemaligen Ostblockstaaten identifiziert. Dieses Buch gibt den Minderheiten die Möglichkeit das Schweigen zu brechen und der Welt zu zeigen, dass sie auch am Welt-Gesellschaftlichen Leben teilnehmen wollen. Es liegt noch viel Arbeit vor uns allen – die Information muss jedoch erst an den Mann und die Frau gebracht werden. Mit diesem Buch wird der erste Schritt gemacht.

Buchinformationen

NameBezeichnung
TitelDie unbekannten Nachbarn
UntertitelMinderheiten in Osteuropa
VerlagChrstoph Links Verlag
Veröffentlichung22. September 2008
AuflageErste
ISBN-13978-3-86153-492-1
ISBN-10386-1534-924
Seiten285
Maße12,8 x 2,4 x 20,7 cm
FormatTaschenbuch

Über die Buchautoren

Ruth Leiserowitz lebt in Berlin und arbeitet in Berlin und Klaipeda. Die habilitierte Osteuropahistorikerin forscht und lehrt an der Freien Universität Berlin und dem Institut für Geschichte und Archäologie der Baltischen Region in Klaipeda.

Vivi Bentin lebt und arbeitet in Berlin. Sie ist Diplom-Dolmetscherin und Leiterin des Sprachdienstes des Regierenden Bürgermeisters. Sie war Mitbegründerin und von 2002 bis 2006 Korrespondentin des Netzwerkes für Osteuropaberichterstattung n-ost.

Ulrike Butmaloiu ist studierte Journalistin und Ethnologin. Fünf Jahre hat sie bei deutschsprachigen Zeitungen un Moskau, St. Petersburg und Sibirien gearbeitet. Seit 2004 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Berliner Journalisten-Kolleg und betreut dort das Programm „Journalisten International“.

Laura Capatana Juller lebt und arbeitet in Bukarest. Die studierte Journalistin arbeitet für verschiedene Printmedien und TV-Kanäle sowie für die TV-Südost-Medienagentur. Sie ist Mitglied don n-ost und hat 2007 den Medienpreis der Kindernothilfe „Kinder in der eigenen Welt“ Berlin erhalten.

Alexandra Frank lebt und arbeitet als freie Journalistin in Hamburg. Ihre Spezialthemen sind das Baltikum, Ausland und Reise sowie Gesellschaft und Wissenschaft. Außerdem hat sie sich auf den Bereich Kinderjournalismus spezialisiert. Sie ist Mitglied von n-ost. Ihre letzte Buchveröffentlichung: Reisehandbuch Estland.

Blahoslav Hruska lebt und arbeitet in Prag. Der studierte Germanist arbeitet als Journalist in der Auslandsabteilung der Online-Tageszeitung aktualne.cz, die in Prag herausgegeben wird.

Zuzana Kleknerova lebt und arbeitet in Prag. Die studierte Politologin und Osteuropahistorikerin war fünf Jahre in der Redaktion der Hospodarskych novin tätig. Jetzt arbeitet sie als Journalistin in der Auslandsabteilung der Online-Tageszeitung aktualne.cz, die in Prag herausgegeben wird.

Diljana Lambreva lebt und arbeitet in sofia. Die studierte Journalistin arbeitet für die Auslandsredaktion der bulgarischen Tageszeitung Klassa, für die Online-Plattform für europäische Themen eurotopics, den österreichischen Standard und die Berliner-Zeitung.

Melanie Longerich arbeitet von Berlin aus als freie Journalistin u.a. für die Süddeutsche Zeitung und Schweizer Medien. Sie ist Vorstandsmitglied des Netzwerkes für Osteuropaberichterstattung n-ost.

Nikola Richter lebt in Berlin. Sie ist Redakteurin der Zeitschrift Kulturaustausch und seit Mai 2008 Redakteurin von eurotopics.

Roland Stork ist Diplomgeograph. Er arbeitete von 2002 bis 2004 als Medienassistent des ifa bei der deutschsprachigen Baltischen Rundschau in Vilnius als Redakteur und anschließend als freier Journalist. Er lebt heute in Wien, ist dem Baltikum aber als Reiseleiter treu geblieben.

Veronika Wengert  lebt und arbeitet in Zagreb. Die studierte Journalistin war von 2001 bis 2003 als Redakteurin in Moskau tätig. Heute arbeitet sie frei für Print, Radio und TV.

Klappentext

Die zahlreichen Minderheiten verwandelten Osteuropa einst in eine kulturell reiche, vielfarbige Landschaft mit funktionierenden Nachbarschaften. Doch diese einzigartige Pluralität wurde in der Mitte des letzten Jahrhunderts zerstört. Nach dem Zweiten Weltkrieg mit seinen Umsiedlungsaktionen, Grenzverschiebungen und Blockbildungen ging ein Riss durch viele Kulturlandschaften, die sozialistische Staatsideologie überlagerte die jeweiligen Traditionen. Erst allmählich beginnt eine Rückbesinnung und Wiederbelebung der spezifischen Lebensarten.

Im auftrag der Robert Bosch Stiftung haben Journalisten elf Länder Osteuropas bereist, dort lebende Minderheiten besucht und ihre gegenwärtige Situation in Reportagen exemplarisch beschrieben. Daneben gibt es zu jedem Land eine ausführliche Übersicht zu allen ethnischen Gruppierungen, ihrer Geschichte im 20. Jahrhundert und ihren heutigen Lebensbedingungen.

Kaufmöglichkeiten

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Antoni Administrator
Europäer mit polnischem Herz und deutschem Hirn! Eigentümer des Touristikunternehmens Walking Poland Group, lizenzierter Stadtführer in Warschau, Fotograf, Jurist (1. Staatsexamen), Redakteur
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