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Fahrradsaison in Warschau

Die Saison für das städtische Fahrradverleihsystem Veturilo beginnt jedes Jahr am 1. März. Normalerweise. Seit einigen Jahren manchmal schon etwas eher.
Das heißt auch, dass die Warschauer Fahrradfahrer massenhaft auf die Straßen zurückkehren. Nebenbei gesagt hätte ich diesen Beitrag vor acht bis zehn Jahren nicht schreiben können, weil es damals schlicht keine Infrastruktur für Fahrradfahrer gab. Wenn damals jemand mit dem Fahrrad durch die Stadt fuhr, machten die Fußgänger und Autofahrer große Augen, als ob sie einen Außerirdischen vom Mars gesehen hätten. Es bestand sogar die Gefahr als verrückt abgestempelt zu werden. Doch Warschau hat nicht gepennt und schnell aufgeholt. Wer heute hipp sein will, muss mit dem Fahrrad fahren.
Das Fahrradwegnetz
Aktuell (Oktober 2019) haben die Fahrradwege in Warschau eine Gesamtlänge von über 550 Kilometern. Sie sind mit einem Zähler ausgestattet, der das Verkehrsaufkommen notiert. Das Straßenbauamt in Warschau hat angegeben, dass täglich ca. 75.000 Fahrräder unterwegs sind. Das macht mittlerweile 5,5 Prozent aller Verkehrsmittel aus. Zum Vergleich: in Berlin sind es 10 Prozent. Mit Amsterdam oder Kopenhagen kann man noch nicht konkurrieren, aber Warschau ist auf dem besten Weg in die elitäre Gruppe der Fahrradstädte.
Veturilo

Namensbedeutung
Veturilo ist ein Wort der Esperanto-Sprache und bedeutet übersetzt Fahrzeug oder Gefährt.
Die weltweit größte Plansprache wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert von Ludwik Lejzer Zamenhof (1859-1917) in Warschau erfunden. Sein Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Warschau. Daher finde ich diesen Namen äußerst gelungen.
Das fünftgrößte Fahrradverleihsystem Europas
Das städtische Fahrradverleihsystem heißt in Warschau Veturilo und gehört nach einer imposanten Entwicklungsgeschichte mittlerweile zu den Größten dieser Art in Europa. Verwaltet wird es von der Nextbike Polska sp. z o. o. aus Wrocław (Breslau), an welcher die nextbike GmbH mit Sitz in Leipzig zu 25 Prozent beteiligt ist. Zudem wächst es stetig. Als man die Fahrräder im Herbst 2016 in die Winterpause geschickt hatte, waren es etwas mehr als 3000 Fahrräder. Im Frühling 2017 wurden 4660 Räder bereitgestellt. Schon innerhalb der ersten 5 Tage wurden diese 51 Tausend Mal ausgeliehen. Und das trotz nicht sonderlich hoher Temperaturen. Mittlerweile (2018) sind es 5292 Fahrräder.
So viele Räder sind hier auch nötig. Nicht nur, weil mittlerweile etwas mehr als 610.000 Nutzer angemeldet sind, aber auch aufgrund des erstaunlichen Fahrradbooms in den letzten Jahren.
Veturilo in Warschau ist zum fünftgrößten Fahrradverleihsystem dieser Art in Europa aufgestiegen.
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Elektrofahrräder
Ein Elektrofahrrad übernimmt bis zu 80 Prozent der Kraft, die man benötigt, um das Fahrrad in Bewegung zu bringen, auf sich. Daher verwundert nicht die Tatsache, dass das Elektrorad Dank der effektiven Batterien auf dem Vormarsch ist.
Auch die Veturilo-Betreiber gehen mit der Zeit und brachten 100 Elektrofahrräder ins Verleihsystem. Der Startschuß war der 31. August 2017.
Aktuell gibt es „nur“ 10 Stationen, an denen man die Räder leihen und zurückstellen kann. Sie unterscheiden sich von den mit purer Beinkraft betriebenen Fahrrädern an der grünen Farbe des Rahmens. Auf einer Ladung kann ein solches Fahrrad sogar bis zu 70 Kilometer zurücklegen.
Ein solches Fahrrad unterstützt den Fahrer nur bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Kilometern pro Stunde.
Die ersten 20 Minuten werden kostenlos sein. Bis 60 Minuten kostet die Fahrt 6 PLN. Jede weitere Stunde wird mit 14 PLN verrechnet.
Warschau auf Platz 4
Das Team von ShopAlike hat im Juni und Juli 2017 alle Daten aus den offiziellen Betreiberseiten gesammelt und analysiert. Gewertet wurde wieviele Fahrräder, Roller und Autos sich auf 10.000 Einwohner auf der Straße befinden und wieviel das Ausleihen (Mieten) kostet.
Platz 1: Paris – in der Stadt der Liebe stehen der Gruppe 105 Fahrräder, 19 Autos oder 5 Roller zur Vefügung.
Platz 2: Brüssel – hier sind es entsprechend 42, 8 und 6
Platz 3: Berlin – hier sind es entsprechend 15, 8 und 3
Platz 4: Warschau – in der polnischen Hauptstadt, die unerwartet auf dem 4. Platz steht stehen 10.000 Menschen 28 Fahrräder, 5 Autos und 0,4 Roller zur Verfügung
Die Preise gestalten sich zu Gunsten Warschaus. Benutzt man ein Fahrrad eine Stunde lang, zahlt man hier 1 PLN. Das ist vier Mal weniger als in Paris, zwei Mal billiger als in Brüssel und sogar zehn Mal billiger als in Berlin.
Ranking der Hauptstädte mit dem einwohnerfreundlichsten Verleihsystemen (polnisch)
Man merkt, dass daran gearbeitet wird
Bei alldem ist das Vertrauen entscheidend. Wenn man sich darauf einlässt, will man auch die Sicherheit haben, dass das System nicht stockt. 2015 wollte ich ebenfalls Veturilo-Fahrräder ausleihen, allerdings kam es oft vor, dass das Display nicht funktionierte oder ich das Fahrrad nicht aus der Andockstation herausnehmen konnte. Deshalb habe ich damals beschloßen, mir ein eigenes Fahrrad zuzulegen. Auch 2016 gab es Beschwerden, waren jene jedoch schon gemäßigter.
Doch man merkt, dass die Betreiber sich Mühe geben und das System verbessern. Das würde bedeuten, dass sie dem Kunden zuhören(?). Dieses Jahr wirbt man mit modernen Touchscreens (vorher waren es schlichte weiche Drucknöpfe), man kann mit Kontaktlosen Karten operieren und jede Andockstation ist mit einer leuchtenden Diode ausgestattet, welche den Verfügbarkeitsstatus anzeigt – eben dieses fehlende Lämpchen führte früher dazu, dass man unzählige Fahrräder nacheinander auf ihre Verfügbarkeit überprüfen musste. Das war echt nervig. Auch sind die Fahrräder wesentlich gemütlicher und es gibt keinen nervigen, weil wackeligen, Korb auf dem Lenkrad.
Die entscheidende Verbesserung ist jedoch die App, die einem ermöglicht, dass Fahrrad in Sekunden auszuleihen. Einfach auf die App, Code scannen und losfahren.
Mal schauen, ob die Betreiber ihre Versprechen halten werden. Ich werde es selber testen und davon berichten.
2012 ging es los
Seinen Anfang hatte das Ausleihsystem am 1. August 2012. Seitdem haben sich 610 000 Nutzer registriert, welche über 12 Millionen Mal ein Fahrrad geliehen haben. Nur im Jahre 2017 kamen 164 000 Nutzer hinzu.
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Leider ungeeignet für Kurzzeittouristen
Aufgrund von neuen Sicherheitsvorkehrungen ist es notwendig, dass man seine PESEL-Nummer (individuelle Identifikationsnummer) angibt und immer 10 PLN auf seinem Veturilo-Konto hat. Dazu muss man sich zunächst registrieren und vorab das Geld einzahlen. Mit einem polnischen Konto geht das in Sekundenschnelle via App. Bei ausländischen Kontoinhabern müsste man vorab eine Überweisung ausführen, die wahrscheinlich erst nach der Rückkehr zu Hause ausgeführt werden wird. Es stellt sich auch die Frage, ob man ohne polnische PESEL-Nummer eine Registrierung ausführen kann.
Alternativen
Natürlich gibt es Alternativen in Form anderer Privatfirmen, die einen Fahrradverleih führen. Ich persönlich kann nur www.wygodnyrower.pl empfehlen. Das Problem bei dieser Firma ist jedoch, dass Sie am wichtigsten Tag in der Tourismusbranche, also am Sonntag, geschlossen haben. Am Samstag haben die auch nur bis 17 Uhr geöffnet. Das liegt daran, dass das eigentlich nur ein Fahrradgeschäft, welches die Fahrräder nebenbei ausleiht.
Ich habe ebenfalls meinen eigenen Fahrradstall – es sind 10 Fahrräder, welche ich im 24/7-Rythmus ausleihe. Daher leite ich gerne weiter auf meine Stadtführer-Seite www.stadtfuehrer-warschau.com und dort auf die Übersicht zum meinem persönlichen Fahrradverleih.
Veturilo in Warschau
Die Homepage lautet www.veturilo.waw.pl – dort gibt es weitere Informationen. Die Seite ist auch auf deutsch.
Ich möchte mich schon mal entschuldigen, dass die Verantwortlichen einen eher schlechteren Übersetzer eingestellt haben. Man merkt das schon auf der Hauptseite. Ich werde mal Fragen, ob ich einige Sachen berichtigen kann 🙂 Dann liest es sich auch besser.
Name | Bezeichnung |
---|---|
Fahrräder | 5292 |
Fahrradstationen | 366 |
Kinderfahrräder | 60 |
Tandemfahrräder | 45 |
Elektrofahrräder | 100 |
Rang in Europa | 5 |
Hi Antoni,
das ist ja mal ein informativer Beitrag. Auch ich gehe gerne in anderen Städten auf Rad Tour und habe mir früher regelmäßig im Urlaub Räder vor Ort ausgeliehen. Das Warschau so auf dem Vormarsch ist finde ich sehr gut.
Viel mehr Städte sollten sollten offener für die Möglichkeiten von Fahrradwegen sein und es den Fahrrad Fahrern ermöglichen Sicher von A nach B zu kommen. Leider erlebe ich es sehr oft das (in Deutschland) das Fahrrad Fahrer von Auto Fahrern nicht unbedingt gerne gesehen sind.
Wenn ich z.B. mit meinem Dienstrad (siehe hier) unterwegs zur Arbeit oder auch auf dem nach Hause weg bin, werde ich oft geschnitten oder sogar unfreundlich angesprochen ich solle auf dem Gehweg fahren (was in Deutschland bekanntermaßen verboten ist).
Ich denke auch Wir sollten hier umdenken, genau so wie Warschau es getan hat.
Warschau werde ich mir definitiv mal als Urlaubsziel vermerken und eins deiner Leihräder werde ich mir dort dann mit Sicherheit mal borgen.
Liebe Grüße
Zarah
Liebe Sarah,
hat mich sehr gefreut Deinen Beitrag zu lesen und ich hoffe in Zukunft von Dir zu hören.
Liebe Grüße aus Warschau